Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
den Tod bringen. Und einen unangenehmen Tod, sei es nun, dass er den Orks, sei es, dass er Robi in die Finger fiel, ganz zu schweigen von seinen Mitbewohnern im Dorf, die Einwohner von Erbrow. Nur ein idiotischer Elf konnte auf die Idee verfallen, einem Ort, an dem Menschen lebten, einen solchen Namen zu geben.
Einmal, vor Jahren, als er Creschio zu erklären versucht hatte, wie abscheulich der Elf war, hatte der ihm in die Augen geschaut und ihn angezischt, wenn er ihn je dabei erwischte, dass er dem Elf etwas antat, würde er ihn in Stücke reißen.
Es war ein Verhängnis, dass er jetzt nach Erbrow zurückmusste.
Das war schließlich nicht der Plan gewesen, dass er nach Erbrow zurückmusste. Der Plan war gewesen, dass der Elf, Robi und das Blag krepierten und er sein weiteres Leben in Daligar verbrachte, zufrieden und Bier trinkend.
Warum liefen die Dinge bei ihm nicht, wie sie sollten?
Aber wenn man es recht bedachte, auch in Daligar leben, Bier trinken und ein zufriedenes Leben führen, wenn es denn möglich wäre, was es aber nicht mehr war, wie soll man sagen …
Moron suchte nach den passenden Worten.
In einem gewissen Sinn … fehlte ihm der Elf.
Schwierig, jemanden ein ganzes Leben lang zu hassen, und dann … dann … ist da nichts mehr.
Das war ein Verlust, wie sich amputiert fühlen.
Jedes Mal wenn er als Kind von seinem Vater so viel Schläge bekommen hatte, dass er nicht mehr laufen konnte, kauerte er sich zwischen den Holzstapel und den Kamin oder, wenn Sommer war, verbrachte er den Tag damit, Fliegen zu fangen und ihnen die Flügel auszureißen. Nur um irgendwas zu tun.
In gewisser Weise fühlte er sich wie eine Fliege ohne Flügel.
Auch wenn es gut gelaufen wäre, wenn er jetzt seinen Krug Bier in der Hand gehabt hätte und die Kämpenkaserne rings um sich, wäre da immer noch dieses Gefühl gewesen, dass etwas fehlte … Obendrein war es nicht einmal gut gelaufen … er hatte nichts mehr.
Schritt für Schritt legte er den Weg zurück. Die Sonne ging auf und ging wieder unter, dann ging sie wieder auf. Regen durchnässte ihn, Wind trocknete ihn und endlich gelangte Moron an den Wasserfall.
Er hätte sich für immer hier niederlassen können, irgendwo am Lauf des Dogon, etwas weiter oben, etwas abseits von der Route nach Daligar. Da würde er sowohl Crescio als auch den Orks entgehen. Er würde sich von Kastanien ernähren, von Zaunkönigen, Rotkehlchen, Schnecken, manchmal auch von gar nichts, daran war er ja schon gewöhnt. Verborgen in den Kastanienwäldern, würden sie ihn niemals finden.
Tatsache aber war … in gewisser Weise … dass er keine Lust dazu hatte.
Er könnte von Kastanien und Hunger leben, aber er hatte keine Lust dazu … und dann … früher oder später würden Robi oder Creschio oder alle beide ihn erwischen. Und das wäre dann hart.
Es war aber nicht nur die Angst. Er hatte wirklich keine Lust dazu, das war’s. Eine Fliege ohne Flügel.
Auch wenn er die Schleichwege kannte und im Schutz der Dunkelheit voranging, musste er doch achtgeben, während er unter dem Wasserfall hinunterstieg.
Creschio, Caren Aschiol, der Kommandant von Erbrow, hatte erfahren, dass die Orks ins Land einfielen, und bewaffnete Patrouillengänge und Warnfeuer organisiert.
Es gelang Moron, allem auszuweichen. Er war gut im Kriechen. Er war gut darin, sich zu verstecken. Jeder ist gut in irgendwas. Es gibt niemanden, der in gar nichts gut ist.
Moron stieg hinunter, fiel hin, rutschte aus, aber alles leise. Keiner sah ihn, die Dunkelheit verbarg ihn. Noch lang vor Morgengrauen war er am Strand von Erbrow.
Das Meerwasser war kalt und ihn fror.
Moron tauchte langsam ein, er strampelte dabei, weil er nicht schwimmen konnte, und erreichte den Felsen des Blöden Orks, des Letzten Orks. Dort blieb er sitzen und wartete auf den Sonnenaufgang. Mit dem ersten Tageslicht würde die Flut kommen.
Als sein kleiner Bruder gestorben war, im Waisenhaus, hatte Creschio zu ihm gesagt, er sei eine Art Ork, weil er sogar seinem kleinem Bruder die Polenta weggenommen hatte und seinen kleinen Bruder hatte sterben lassen. Aber was sollte ihm denn schon daran liegen, an seinem kleinen Bruder? Der war die ganze Zeit über bei Mama geblieben, nachdem man ihn, Moron, bereits ins Waisenhaus gebracht hatte. Es gibt Leute, denen gelingt eben immer alles.
Mit der Morgendämmerung kam die Flut. Moron schauderte. Sein Leben war hier zu Ende. Wenigstens war es zu Ende, wann er es wollte. Das war ihm gelungen,
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