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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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eigenen Adern fließt. Eure Eltern sind getötet worden und Ungerechtigkeit ist gar kein Ausdruck dafür, aber sie haben sich bei der Hand gehalten, als sie starben. Ihr seid stolz auf sie, ebenso wie Euer Gatte. Ich weiß ja nicht, ob er diejenigen noch kennenlernen konnte, die ihn gezeugt haben, aber er hat gewiss nie aufgehört, stolz auf sie zu sein. Mir ist dieses Glück nicht beschieden. Mein ganzes Leben lang war ich zerrissen. In gewissem Sinn bin ich Tochter eines Orks. Mein Vater war ohne alle Bedenken bereit, Euch als Kind ermorden zu lassen oder Eure Tochter von nicht einmal zwei Jahren; und wie Jade sagte, wer bereitwillig ein Kind tötet, verdient es, Ork genannt zu werden. Wenn wir sämtliche Orks aus unserem Land vertrieben haben, müssen wir daran denken, dass da noch ein letzter übrig ist, versteckt in den Bergen, in Alyil. Ich kenne alle Verbrechen meines Vaters, und doch bleibt in einem Winkel meines Gedächtnisses das Lächeln, mit dem er mir als Kind entgegenkam. Lang habe ich gedacht, müsst Ihr wissen, das einzig mögliche Schicksal für mich sei die Einsamkeit, weil meine Kinder das Blut dieses Ungeheuers in sich tragen würden, aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ein Nachmittag in Gesellschaft Eurer Tochter hat mir mehr Dinge über meine Seele offenbart, als ich ahnen konnte. Ich glaube, jeder von uns ist die Summe seiner Taten, nicht das Blut, das in seinen Adern fließt. Das gilt für Sire Arduin. Es gilt … für mich. Für jeden.«
    Aurora verstummte. Ihre Blicke schweiften über die Wehrgänge hinaus, nicht in die Ferne, sondern zu den Köpfen der Orks, die ganz in der Nähe an den Wachtürmen hingen. Das Licht wich aus ihrem Gesicht, und ihre Augen wurden grau wie das Meer, wenn im Winter Sonne und Horizont hinter den riesigen Regenwolken verborgen sind.
    »Wir müssen einen doppelten Kampf führen. Die Horden der Orks eine nach der anderen bekämpfen, in dem Bewusstsein, dass immer neue nachrücken werden; andererseits aber nicht unsere Seele verraten, indem wir das Mitleid vergessen und so werden wie sie.«
    »Wer immer meine Kinder töten will, den töte ich«, sagte Rosalba ruhig und bestimmt. »Sein Kopf landet auf den Piken am Rande der Kloaken.«
    »Nein, nicht einmal der Kopf dessen, der Eure Kinder töten will, darf auf den Pfählen landen, die die Grenzen der Sümpfe abstecken. Ihr wisst ja nicht. Verzeiht, Herrin, aber Ihr begreift nicht. Es liegt etwas Furchtbares in der Enthauptung eines Menschen: Seine ganze Menschlichkeit wird vernichtet …«
    »Gerade deswegen tun wir es ja«, unterbrach Rosalba sie. »Die Orks haben keine Angst vor dem Tod. Das Einzige, was sie schreckt, ist die Vorstellung, bis ans Ende aller Zeiten ohne etwas auf den Schultern durch die Unterwelt irren zu müssen, während andere Krieger sich über sie schieflachen.«
    »Die Orks haben eine schreckliche Angst vor dem Tod, wie alle, die lauthals beteuern, ihn zu lieben. Indem sie den Tod geben und suchen, halten sie ihn in Schach. Unerträglich ist ihnen aber, den Tod ganz einfach erwarten zu müssen, ohne zu wissen, wann er kommt, wie alle es tun, die weder Selbstmörder noch Mörder sind. Wenn ein Ork stirbt oder wenn auch nur sein Leichnam geköpft wird, bricht wie in einem Strudel der ganze Schmerz der Welt auf, wie könnt Ihr das nur nicht fühlen! Wie könnt Ihr nur nicht bemerkt haben, dass Eure Tochter mit niedergeschlagenen Augen herumläuft, um … das nicht sehen zu müssen.«
    Aurora wies auf die abgeschlagenen Köpfe, die man in der Dunkelheit erkennen konnte.
    »Erbrow sieht die Orks nicht an, weil sie Angst vor ihnen hat …«
    »Eure Tochter schaut nicht in diese Richtung, weil sie den Schmerz ihres Todes und das Grauen ihrer Enthauptung mitfühlt. Lasst nicht zu, dass Eure Kinder und die anderen Kinder von Daligar an einem Ort aufwachsen, wo sich auf das Jausenbrot mit Honig Fliegen setzen, die sich eben noch an den Augenhöhlen eines Toten gelabt haben. Meine Herrin, verzeiht mir«, fuhr Aurora fort, sie zitterte, »Euer Gemahl hätte das niemals zugelassen. Für ihn wäre ein Mangel an Mitleid purer Schmerz gewesen, wie eine offene Wunde. Wir müssen den Verletzten zu Hilfe kommen, auch denen der Orks. Die Gefangenen müssen leben.«
    »Wo?«, fragte Rosalba.
    »In den Verliesen!«
    »Wie? Wovon? Indem man einer belagerten Stadt Lebensmittel und Wasser fortnimmt, um sie zu ernähren? Indem man für ihre Bewachung Soldaten von einem Heer abzieht, das ohnehin schon dünn

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