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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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genug besetzt ist, um sie zu bewachen?«
    Aurora war sehr blass. Sie schien am ganzen Leib zu zittern. Rosalba begann zu verstehen. Rankstrail kam ihr zuvor.
    »Ihr seid ein …«, fing Rankstrail an. »Ich meine …«
    »Gewiss, mein Herr, ich bin das, was man einen Halb-Elfen nennt. Meine Mutter gehörte dem Volk der Elfen an.«
    »Aber hat Euer Vater die Elfen denn nicht gehasst? Hat er nicht sein Leben damit zugebracht, sie zu vernichten?«
    Rosalba war fassungslos. Sie war empört. Schon wieder nahm das Gespräch eine Wendung ins Unverständliche. Vor allem aber wollte, ja duldete sie nicht, war es ihr unerträglich, dass Aurora und Yorsh etwas gemeinsam haben sollten.
    »Also«, ergriff sie das Wort, »fassen wir mal zusammen: Ich habe etwas Orkblut in mir und Ihr seid ein Halb-Elf. Fehlt nur noch das Huhn.«
    Aurora dachte lang nach, bevor sie antwortete. »Ich glaube, mein Vater ist geistig nicht gesund«, sagte sie leise.
    Sie hatte sich auch auf das Podest einer Königsstatue gesetzt, vielleicht der Eriks des Kahlen.
    »Er hasst die Elfen«, fuhr sie fort, »aber gleichzeitig faszinieren sie ihn. Ich glaube, er hasst sie, weil es ihm nicht vergönnt ist, so zu sein wie sie. Er zwang meine Mutter, ihn zu heiraten, mit dem Versprechen, das er dann nicht hielt, er würde ihr Volk retten … und dann … als sie ihre Flucht vorbereitete …« Aurora führte den Satz nicht zu Ende. »Nicht alle Elfen sind verschwunden, Herrin. Wie mein Vater leider herausfand, vernichtet der Schmerz die Zauberkräfte der Elfen. ›Man braucht nur einen umzubringen, dann werden alle seine Angehörigen und Nachbarn brav wie die Lämmer und lassen sich zur Schlachtbank führen‹, sagte er lachend. Die Elfen fühlen den Schmerz dessen, den sie töten, und das macht sie wehrlos. Der Schmerz über die Verachtung und den Hass hat ihre Zauberkräfte zunichtegemacht. Sie sind allein geblieben, sie sind gestorben, aber nicht alle. Viele haben bei den Menschen Unterschlupf gesucht, an einem Herd oder in den Kornfeldern, in Sicherheit vor der Barbarei. Es waren nicht nur Eure Eltern, die einen Elfen aufgenommen haben, nicht nur Ihr habt Euer Blut mit dem ihren vermischt. Die Welt ist voller Halb-Elfen. Wer auch nur einen Tropfen Elfenblut in den Adern hat, den erkennt man an den Haaren. Welche Farbe auch immer sie haben mögen, im Licht der schräg stehenden Sonne, bei Sonnenauf- oder -untergang, schimmern sie auf eine ganz eigentümliche Weise. Die magischen Kräfte vererben sich leichter bei Mädchen, und wenn sie erkannt werden, nennt man solche Mädchen Hexen. Oft haben sie außergewöhnlichere Fähigkeiten als Heilerinnen. Jungs sind wesentlich seltener mit Kräften begabt und meist sind es geringe Fähigkeiten, wie eine größere Treffsicherheit, ein besseres Verständnis für alles Gesprochene und eine größere Liebe zu allem Geschriebenen. Was mein Vater nicht weiß, ist, dass Halb-Elfen ihre Fähigkeiten nie gänzlich verlieren, nicht einmal im fürchterlichsten Schmerz. Es war nicht nur Grausamkeit, weshalb er es so einrichtete, dass Eure Tochter den Tod ihres Vaters mit ansah und ich den …« Wieder blieb der Satz unvollendet. »Er hat das getan, um uns wehrlos zu machen, aber Halb-Elfen besitzen den Mut der Menschen. Wie die Menschen ergeben wir uns niemals, bis zuletzt nicht.«
    »Seid Ihr eine Hexe?«, fragte der Hauptmann.
    »Man würde mich so nennen, wenn das alles bekannt wäre.«
    »Und woran erkennt man die Kinder der Orks?«, fragte der Hauptmann.
    Aurora schwieg. Sie schwieg lang, machte eine unbestimmte Geste und ging dann plötzlich davon.
     
    Der Mond verschwand hinter den Wolken.
    Die Dunkelheit wurde dichter, durchbrochen nur vom Feuerschein der letzten noch brennenden Fackel.
    In der Ferne hörte man den Ruf einer Eule und den verzweifelten Schrei der erlegten Beute.
    Rosalba schwieg betroffen.
    Alles, was Aurora gesagt hatte, wirbelte ihr durch den Kopf.
    Sie war zu müde. Sie würde morgen darüber nachdenken. Und am Tag danach. Und am darauffolgenden Tag auch noch.
    Jetzt war ihre Müdigkeit überwältigend. Das Einzige, was wach blieb, war ihr Mitleid mit Aurora. Es musste schrecklich sein, sich für den eigenen Vater schämen zu müssen.
    »Das ist alles nicht wahr«, sagte sie hartnäckig. »Es ist absurd. Arduin war kein Ork. Weder ich noch meine Kinder haben Orkblut in uns. Das müssen bloße Gerüchte sein, und Aurora hat sie geglaubt, weil sie es … in einem gewissen Sinn braucht, das zu glauben.

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