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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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zu verteidigen, wurde jeder, der sich meldete, automatisch angenommen. Das heißt letztlich so gut wie niemand, denn der Ruf der Schwarzen Banditen stand nur hinter dem der Orks der Unbekannten Welt zurück. Keiner der entmutigten Musterungsoffiziere stellte Rankstrail Fragen nach seinem Alter und er fand sich als Angehöriger der Leichten Infanterie wieder.
    Er bekam die astronomische Summe von sechzig Kupfergroschen und vier Silbertalern ausbezahlt, die ihm für die Anwerbung, für die Ausrüstung und das erste Kriegsjahr im Dienst der Stadt von Daligar zustand, und er hatte den halben Vormittag, um sich alles Nötige zu beschaffen. Er würde noch am Nachmittag desselben Tages in die Berge des Südens aufbrechen, wo die Banditen die Bauerngehöfte mit Feuer und Schwert überzogen.
    Rankstrail lief durch Daligar, verwirrt und unfähig zu denken. Die Stadt bestand aus verwinkelten, staubigen und schmutzigen Gassen, in denen er sich verlief. Im Vergleich dazu war der Äußere Bezirk daheim mit seinem Lumpenpack eine Art Schlaraffenland. Das Elend im Äußeren Bezirk war stets lärmend und von Hoffnung erfüllt gewesen, voll verheißungsvoller Düfte und Aromen. In einem gewissen Sinn war das Elend dort nie total, es kam und ging, nicht immer hatte man etwas, aber man war auch nicht immer völlig ohne alles. Wenn es ganz schlimm kam, gab es da immer noch Kohlstrünke, abgenagte Maiskolben und Kartoffelschalen von denen, die in Windrichtung wohnten und sich erlauben konnten, Kohlstrünke wegzuwerfen und Kartoffeln zu schälen; in Daligar gab es rein gar nichts. Alles spiegelte eine verzweifelte, düstere Misere wider, überhaupt kein Vergleich mit dem bunten, lärmenden Elend, an das er gewöhnt war. Er sah Kinder, die so abgemagert waren, dass die Haut über den Schädelknochen spannte, und Grauen überkam ihn angesichts des Winters, den sie nicht überstehen würden. Er sah Mütter mit völlig leerem Blick, den nicht einmal das Weinen der Kreaturen, die sie im Arm hielten, zu beleben vermochte.
    Bevor ihn der Mut gänzlich verließ, traf er auf eine erwachsene Frau, die nicht größer war als ein Kind, und erkannte sie sofort wieder. Er war ihr begegnet, als er klein war, während sie einen Bratspieß voller Reiher drehte.
    »Morgentau«, rief er; doch dann erinnerte er sich an die Worte der Dame und sprach die zerlumpte kleine Frau so an, wie man hohe Herrschaften anspricht. »Ihr seid doch Morgentau, eine der Damen vom Volk der Zwerge!«
    Morgentau blieb stehen und sah ihn lange an. Sie strahlte übers ganze Gesicht, lächelte ihn an. Rankstrail dachte, jemanden Herr oder Dame zu nennen, könnte ebenso viel wert sein wie bares Geld oder ein Reiher.
    Sie erkannte ihn sofort wieder, auch wenn sie ihn nur dies eine Mal gesehen hatte, als er noch ein Kind war.
    Sie erklärte ihm, nach dem Tod der Dame sei sie lieber fortgegangen, angelockt (aber wahrscheinlich wäre richtiger zu sagen, irregeleitet) von dem Ruf, in dem Daligar allerorten stand: ein Hort der Gerechtigkeit zu sein. Jetzt war es zu spät, sich eines anderen zu besinnen, denn in Daligar war das nicht erlaubt. Die Gerechtigkeit des Richters sei tausendmal schlimmer als die Ungerechtigkeit in Varil.
    An diesem Nachmittag nahm sie Rankstrail unter ihre Fittiche und führte ihn in der Stadt herum.
    Der Junge verwendete die Hälfte seines Geldes für den Kauf des billigsten Schwertes, das er auftreiben konnte. Es war unsymmetrisch, leicht gekrümmt, das Heft aus Holz und die Scheide aus fleckigem Kupfer, ohne Knauf, der war verloren gegangen, verschollen in einer glorreichen Vergangenheit. Es hatte einem Hellebardier gehört, der an Sonnenstich gestorben war, weil er in der Sonne seinen Rausch ausschlief. Es war zu leicht und zu kurz für ihn und die Klinge war verrostet, aber es war ein Schwert. Pfeil und Bogen brachte er ja schon mit, er hatte ihn für die Jagd auf Reiher gemacht, aber er taugte für alles, was sich auf dem Angesicht der Erde bewegte. Den Harnisch hatte er selbst angefertigt, als Spielerei so nebenbei, um sich dem Traum hinzugeben, er könnte einer der Ritter mit in der Sonne schimmernder Rüstung werden. Er hatte ihn aus Metallplättchen gemacht, Abfällen, die er bei den Handwerkern des Mittleren Bezirks auflas, zusammengehalten von Tierhäuten, die je nach Jagdbeute variierten, vorwiegend aber Kaninchen und Dachse. Irgendeine Art von Schutz bot das Ergebnis schon, aber es sah finster und grimmig aus, weshalb Rankstrail sofort den Spitznamen

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