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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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aufzustehen, legte Rankstrail seine Hände auf den Knauf des Schwerts und betrachtete sie, es waren riesige, dunkle Pranken. Sie passten zu dem Knauf, als ob das Schwert für ihn geschaffen worden wäre oder als ob es ihn erwartet hätte.
    In diesem Augenblick kündete das Horn der Hellebardiere am Südtor hochrangige Besucher an. Alle sahen sich um, sie hatten gar nicht bemerkt, dass eine Gruppe von Reitern eingetroffen war, die nun vom Pferd stiegen, um zu Fuß die Stadt zu betreten.
    Es waren etwa zwanzig, in Samt und Brokat gekleidet und mit den weiß-goldenen Wappenzeichen von Varil. Rankstrail erkannte Prinz Erik und dessen Onkel, den Bürgermeister.
    Er ging ihnen entgegen. Er trug Arduins Schwert in Händen, und das war ein Gefühl, dem er keinen Namen zu geben wusste. Es war, als ob der Schlamm von seinen Stiefeln abgefallen wäre. Als ob sein Harnisch heller strahlen würde als der Mond in einer klaren Winternacht. In Wirklichkeit war es seine Seele, die heller strahlte als die Sonne an einem Sommertag, wenn die Grillen in den Wiesen zirpen und der Klatschmohn purpurrot leuchtet. Als er der Abordnung gegenüberstand, grüßte er höflich mit einem Kopfnicken. Ohne dieses Schwert in seinen Händen hätten diese Herren immer noch die Macht gehabt, ihn einzuschüchtern. Jetzt aber trug er das Schwert des Herrn des Lichts, des großen Königs, der als Ork geboren wurde und die Entscheidung getroffen hatte, es nicht zu sein.
    Nachdem er sie begrüßt und willkommen geheißen hatte, antworteten die Herren aus Varil mit einer Verbeugung. Sie waren gekommen, um ihm den Oberbefehl über ihre Stadt anzutragen.
    Der Bürgermeister erklärte ihm, dass die Stadt in Gefahr sei, erneut belagert zu werden. Die Flutwelle aus Wasser und Schlamm, die durch das Öffnen der Schleusen entfesselt worden war, schützte weiterhin den Fuß des Hügels, auf dem Varil gelegen war, aber weiter weg in den Reisfeldern wimmelte es von Orklagern, und jeden Tag kamen weitere Feuer hinzu, weil immer neue Horden dazustießen. Tagtäglich kamen neue Familien in den Äußeren Bezirk, auf der Flucht vor den Grausamkeiten der feindlichen Heere, noch mehr Unglückselige und Verzweifelte. Seit Tagen beratschlagte der Adel von Varil in ständiger Ratssitzung, um die Namen derer festzulegen, die hinausziehen und die Orks vertreiben sollten, aber alles, was sie zustande gebracht hatten, waren die Namen derer, die zu ihm gehen und ihn bitten sollten, dass er den Angriff auf die Orks befehligen möge. Prinz Erik hatte von vornherein die einzig mögliche Lösung vorgeschlagen, ihm die Befehlsgewalt über die Stadt anzuvertrauen und ihn für die Wahl zum König vorzuschlagen.
    Die Statuten der Stadt sahen vor, dass die Kommandanten von Varil dem Kreis der Männer entstammen mussten, die ihr seit Generationen angehörten, aber im Falle großer Gefahr konnten die Statuten außer Kraft gesetzt werden, denn wenn es keine Nachkommen der großen Geschlechter und Dynastien gab, wandte man sich eben an einen, der in der Lage war, ein solches Geschlecht und eine solche Dynastie zu begründen.
    Rankstrail nickte.
    Die Delegation übereichte ihm das Symbol der Befehlsgewalt, die Kette mit den Insignien der Stadt, bestehend aus Plättchen, in getriebenem Gold und Email, die die Farben des Stadtbanners wiederholten. Sie lag in einem reich verzierten Holzkästchen, das mit weißem Samt und Goldbrokat ausgeschlagen war.
    Rankstrail nickte noch einmal. Er umfasste den Knauf seines Schwerts: Er fühlte den Stein und das Eisen an seinen Handflächen. Er dachte an den großen König. Man hatte ihn Arduin den Gerechten genannt. Er würde sich seines Schwertes würdig erweisen. Dann hob er an zu sprechen.
    »Solange Atem in mir ist«, erklärte er, »soll es mir eine Ehre sein, für Freiheit und Wohlstand der Stadt zu kämpfen. Und wenn ich dafür sterben muss, so bin ich dazu bereit. Bei uns allen liegt die Verantwortung dafür, dass unser Volk vor denen verschont bleibt, die es als eine Ehre betrachten, unsere Kinder zu töten, vor denen, die ihre blutbesudelten Hände vorzeigen, jubeln und tanzen, wenn sie jemanden erstochen haben. Bei uns liegt die Verantwortung dafür, unser Volk von dem Elend zu befreien, das sich in rauen Winternächten in unbeheizte Hütten schleicht und die Kinder hinwegrafft, mit einer Grausamkeit, die der der Orks gleichkommt; es von dem Husten zu befreien, der die Unterernährten entkräftet und auch das wenige Blut noch ausspucken lässt, das

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