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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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erfolgreichste Aktion führten sie an den Südhängen des Prallsteins durch. Bei einer kleinen Ansiedlung am Rand eines lang gestreckten Kastanienwalds fiel Rankstrail der unverwechselbare Geruch vom Ruß und Leder der Masken auf, welche die Feinde unnützerweise trugen.
    Die Banditen griffen in der Nacht an. Die Söldner hatten sie erwartet. Die Schlacht war schnell vorbei. Auf der Flucht nahmen die Banditen einen alten Bauern als Geisel, der noch spät auf der Straße von Quarzstein her unterwegs gewesen war. Lisentrail, wie immer in der Nachhut, schnitt den Flüchtenden den Weg ab, befreite den Alten und entschädigte ihn mit dem unermesslich kostbaren Geschenk einiger getrockneter Feigen und einem Schluck sauberen Wassers. Der Alte redete in einer unverständlichen Sprache, aber alle begriffen, dass er sie pries und segnete. Mit dieser Aktion war die Region befriedet. Als es daran ging, die verwundeten Feinde zu erschießen, schlug Trakrail vor, sie zu Gefangenen zu machen und gesund zu pflegen. Dahinter stand folgende Überlegung: Sprach es sich herum, dass es Aussicht auf Überleben gab, würden die übrigen Banditen sich vielleicht ergeben. Allerdings hatte auch Trakrail keine blasse Ahnung, wo man die Gefangenen unterbringen und wie man sie verpflegen sollte. Rankstrail lachte über den Vorschlag. Siuil kriegte sich überhaupt nicht mehr ein vor Lachen. In gewisser Weise ekelte sich Trakrail vor den Toten. Er war nicht sonderlich begabt für das Waffenhandwerk. Ihm war wegen des Brandmals im Gesicht keine andere Wahl geblieben. Aber er war gut im Heilen von Wunden und kannte sich mit Kräutern aus. Deshalb war er beliebt.
     
    Der Winter kam, er war kurz, klar und trocken.
    Eine dünne Schneeschicht bedeckte einen einzigen Tag lang den Gipfel des Hochfels und schmolz gleich wieder. Im Frühling kam aus Daligar der offizielle Bote mit dem korrekt berechneten Sold für alle und – eine unerhörte Begebenheit, da die Söldner allesamt Analphabeten waren – einem Brief für Rankstrail. Er kam von seinem Vater. Er war in der krakeligen Handschrift des Verrückten Schreibers verfasst, die er kannte. Er begann mit: »Mein geliebter Sohn, ich träume von deiner Heimkehr, um deine Heimkehr bete ich immerdar …« Dann folgte Dank für das glücklich eingetroffene Geld, Beteuerungen, dass alles bestens ging und der Husten nur noch eine Erinnerung war, Schilderungen davon, wie gut sein Bruder heranwuchs, Neuigkeiten von der Schwester, die angefangen hatte, als Wäscherin zu arbeiten, und die Heiratsmittlerin des Äußeren Bezirks hatte gesagt, wer weiß, wenn der Zeitpunkt da war, würde vielleicht der Bäckerssohn gut für sie passen, und dann eine endlose Reihe von Ratschlägen und Empfehlungen gegen Kälte, Hitze, Erfrierungen und, die Götter mochten es verhüten, Schwerthiebe der Feinde …
    Wieder und wieder las der junge Soldat den Brief, er hatte sich damit ins Gebüsch verzogen, wo er sich nun die Eicheln mit den Wildschweinen und das eigene Blut mit den Läusen teilte, von denen es in seinem Harnisch wimmelte. Dieser Brief war der greifbare Beweis, dass es irgendwo ein anderes Leben gab als ihr Robben im Schlamm, in der ständigen Furcht vor einem unerwarteten Überfall, der ihren letzten Atemzug besiegeln würde. Im Dunkeln, als er nicht mehr lesen konnte, strich er mit den Fingern über das Blatt, wo geschrieben stand: »Mein geliebter Sohn, ich träume von deiner Heimkehr, um deine Heimkehr bete ich immerdar …«
    Der Frühling kam und ging vorüber und wieder kam der Sold. Der Hochfels war befreit und die Söldner zogen weiter ins Hügelland. Wieder verdorrte und verbrannte der Sommer das Gras. In der gesamten Region und auch über ihre Grenzen hinaus verbreitete sich der Ruf eines unbezwinglichen Kriegers, stark wie ein Bär und finster wie ein Wolf, der das Söldnerheer von Sieg zu Sieg führe. Er war ein harter Kerl, kein Muster an Barmherzigkeit, und keiner seiner Feinde ging lebend aus dem Kampf hervor, doch er hatte Erbarmen mit den Unschuldigen, sorgte für Ausgleich und Gerechtigkeit.
    Der Sold traf ein, und Rankstrail benutzte den Boten, um die Hälfte davon an seinen Vater zu schicken.
    Im Herbst war auch das Hügelland befreit, und es trat das ein, was immer einzutreten pflegt, wenn Kriege gewonnen sind: Der Sold kam nicht mehr, Verpflegung wurde zu einer blassen Erinnerung. Die Bauern kehrten auf ihre nunmehr sicheren Höfe zurück und begannen, misstrauisch und scheel auf alles zu blicken:

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