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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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ist noch einer, der dem Henker in die Hände gefallen ist«, brummte Lisentrail leise und mit heiserer Stimme, wie immer, wenn vom Henker die Rede war.
    »Wenn es so war, wird das seinen Grund gehabt haben«, bemerkte Siuil altklug. »Es hat immer einen Grund, wenn einer in den Händen des Henkers endet.«
    Der Alte schlich an den Häuserwänden entlang und hielt sich im Schatten. Da brach mit einem Mal die Sonne durch die Wolkendecke und tauchte ihn ins volle Licht. Ein paar Jungs gingen auf ihn los. Ihre Schreie und der Aufprall der Steine an den Häuserwänden unterbrachen die Stille des verschlafenen Nachmittags.
    »Schau doch nur, was für einen Spaß sie daran haben«, murmelte Lisentrail so leise, dass nur Rankstrail ihn hören konnte. »Stumpfsinnig und vergnügt wie ein Rudel Hunde, das über ein verwundetes Schaf herfällt.«
    Die Schreie der Jungs wurden noch lauter. Siuil kicherte.
    »Das Schlimmste ist, dass du vom Henker für immer gezeichnet bleibst«, fuhr Lisentrail fort. »Alle sehen das und jeder kann dich verhöhnen … In jedem Dorf, an jedem Ort gibt es irgendwen, für den es eine wahre Wonne ist, wenn er einen anderen verhöhnen kann …«
    Rankstrail erinnerte sich an den Verrückten Schreiber und nickte. Eine Handbewegung von ihm genügte, und die Jungs stoben auseinander wie ein Rudel Hunde, wenn der Wolf auftaucht. Einen Augenblick lang sahen er und der Alte einander an, dann verschwand der Mann im Schatten.
    Ein paar Tage später, als anhaltender Nieselregen sämtliche Jungs von den Gassen gefegt hatte, kehrte der Alte wieder. Diesmal traute er sich, Rankstrail anzusprechen. Er stellte sich vor, erklärte, er sei Nikli, der Geldverleiher.
    »Geldverleiher? Dann seid Ihr ein Wucherer? Deshalb hasst man Euch! Es tut mir leid, dass ich die Jungs zurückgepfiffen habe, das tut mir wirklich sehr leid. Früher oder später wird niemand sie aufhalten und sie bringen die Sache zu Ende.«
    Der Alte schluckte, rang nach Luft, doch dann erholte er sich und bat um die Erlaubnis, ihm, Rankstrail, und seinen Männern eine ehrbare Arbeit anzubieten, für die er zahlen würde. Rankstrail hob nicht einmal den Kopf und entgegnete, solange es sich vermeiden ließe, rede er nicht mit Wucherern, und er gab ihm Zeit, bis neun zu zählen und zu verschwinden.
    »Es ist eine ehrbare Arbeit«, beharrte der Alte.
    Rankstrail antwortete nicht. Er hob den Kopf und musterte ihn verächtlich. Der andere wandte sich zum Gehen, doch dann blieb er noch einen Augenblick unschlüssig stehen.
    »Falls Ihr es Euch doch noch anders überlegt, das dort ist mein Haus«, setzte er schließlich hinzu und wies im Regen auf das niedrigste Haus der Ansiedlung, abseits von den anderen, der Garten völlig überwuchert von den abweisenden, stacheligen Säulen der Kaktusfeigen, sämtliche Fenster vergittert.
    Rankstrail sah sich nicht um. Der Alte entfernte sich.
    Im Winter wurde der Himmel grau und düster, die Kastanien gingen aus. Die Katzen waren schon zu Ende und schließlich begannen die Hühner zu verschwinden.
    An einem hellen, sonnigen Morgen, während der Wind über die Hügel fegte und sich ihre Silhouette gestochen scharf vor dem dunkelblauen Himmel abzeichnete, traten auf dem Hauptplatz die Soldaten der Garnison in Erscheinung – drei Kavalleristen und vier Infanteristen –, in Begleitung eines Bauern, dazu der Henker in Kapuze, ohne Axt und mit den vorgeschriebenen vier Zangen, die an den Beschlägen seines Ledergürtels hingen.
    Rankstrail hörte ein unterdrücktes Stöhnen, er brauchte sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass das Lisentrail war.
    Sie waren noch nicht verhungert, weil Lisentrail durch die Hügel streifte und alles nur halbwegs Essbare mitbrachte, einschließlich Stachelschweinen. Die Kastanien waren schon aus. Mäuse gab es noch, aber die waren schwer zu fangen. Auch ein paar Hühner mussten sich im Gebüsch und zwischen den Steinen verlaufen haben. Rankstrail wusste, dass das stimmte, er hatte Federn und gebratene Flügel gesehen. Er wusste auch, dass ’der Braten unter vielen aufgeteilt worden war, um nicht zu sagen, unter allen, aber nur der, der gestohlen hatte, würde dafür büßen müssen. Der Besitzer eines der Hühner hatte Anzeige erstattet. Das war der Bauer, der die Soldaten begleitete.
    »Gut«, sagte der Führer der kleinen Schar, ein Reiter im stählernen Harnisch mit einer Art Goldstickerei darauf, die einen Greifen darstellte. Der Harnisch schimmerte in der Sonne und Rankstrail

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