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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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betrachtete ihn gebannt, voller Bewunderung, aber auch irgendwie eingeschüchtert. »Ich bin Ser Argniòlo, Kommandant der Kavallerie der Grafschaft. Ich bin gekommen, um Recht zu sprechen. Diesem armen Mann hier ist ein Huhn gestohlen worden. Aber zum Glück hat er den Schuldigen gesehen.«
    Der Bauer trat vor. Er spuckte aus und zeigte auf Lisentrail.
    Argniòlo gab ein Zeichen mit dem Kopf, und Lisentrail sah sich umzingelt von den vier Infanteristen, die auch stählerne Harnische trugen, aber ohne Verzierungen.
    »He, du Tölpel«, sagte Argniòlo, »wie viel war dein Huhn wert?«
    »Mei, schee woa mei Hendl, wirkli schee. Schee wia d’ Sunna und rund wia da Mond. Nia net hob i so a schees Hendl g’hobt. Aa Ei am Dog hat’s g’legt, und an guade Dog aa zwaa«, jammerte der Bauer mit einer Trauermiene, als hätte er eben seinen erstgeborenen Sohn beerdigt. »Sechs Taler, Euer Exzellenz, sechs Taler.«
    »Es war ein Huhn von bester Qualität«, übersetzte der Henker. »Jung und wohlgenährt. Es legte ein Ei pro Tag, manchmal auch zwei. Es war mindestens sechs Taler wert.«
    Rankstrail erkannte den Bauern wieder und verabscheute ihn. Es war der, dem Lisentrail und seine Männer zwischen Prallstein und Quarzstein zu Hilfe gekommen waren. Er war sich ganz sicher, es war der da, mit seinem schütteren Bärtchen und dem einen halb geschlossenen Auge, es war der Mann, den Lisentrail, nachdem er ihm das Leben gerettet hatte, aus seiner Feldflasche hatte trinken lassen und dem er einige seiner kostbaren getrockneten Feigen abgetreten hatte.
    Argniòlo lachte gönnerhaft. »Sechs, abgemacht«, bewilligte er. »Sechs Zähne. Vorwärts, du, sei ein braver Junge. Wenn du den Mund von allein aufmachst, brauchen wir die Zangen nicht glühend zu machen, und du ersparst dir viel Ärger, das weißt du ja schon, nicht wahr?«
    »Das stimmt nicht«, sagte Lisentrail aschfahl im Gesicht, aber ruhig. »Es stimmt nicht. Ich habe nichts gestohlen. Er behauptet, ich habe gestohlen, und ich sage, das stimmt nicht.«
    »He«, sagte Siuil, der Alte Kämpe, »das war doch kein Huhn für sechs laier. Es war alt und zäh wie ein Stecken.«
    Sofort verstummte er und schlug sich die Hand vor den Mund. Lisentrail gab ein unterdrücktes Stöhnen von sich.
    Rankstrail dachte, »Trottel« sei fast noch eine Schmeichelei für Siuil.
    »Ist gut, sagen wir fünf Zähne«, räumte Argniòlo großzügig ein.
    Rankstrail sah Lisentrail an und zum ersten Mal erblickte er Angst in seinen Augen. Es war eine gemeine Angst, die sich konzentrierte in einem schiefen, unterwürfigen Blick, dem Blick eines Hundes, nicht eines Menschen, während sein Mund sich zu einer Art Lächeln verzog, in der erbärmlichen Hoffnung, die Henker mitleidig zu stimmen. Das war nicht Lisentrail der Soldat, der Krieger, der ihm seit jeher den Rücken deckte, wenn er vorrückte, der stahl, um alle satt zu bekommen, der schreckliche Gefahren auf sich nahm. Sie hatten einen Hund aus ihm gemacht.
    Rankstrail überlegte sich, dass es zweierlei ist, ob man in der Schlacht von einem Axthieb verstümmelt wird, während der Kommandant vorprescht und die Kameraden einen nach den Seiten hin decken, oder ob einen der Henker Stück für Stück verstümmelt, umringt von Leuten, die dazu lachen.
    Nicht die Dinge sind wichtig, sondern die Bedeutung, die ihnen beigemessen wird. Wichtiger als der Schmerz an sich ist es, ob der Schmerz mit Mitgefühl oder mit Hohn betrachtet wird. Noch schlimmer, als getötet und verstümmelt zu werden, ist es, wenn jemand sich daran ergötzt oder darüber lacht.
    Der Alte Kämpe Siuil fing an zu lachen. Rankstrail hasste sogar seinen Namen, der irgendetwas war zwischen dem Zischen einer Schlange und dem Piepsen einer Maus.
    Lisentrail hatte sich auf die Knie geworfen oder vielleicht war er gefallen und die beiden Soldaten schleiften ihn mit sich.
    Auch Ser Argniòlo fing an zu lachen, hörte aber gleich wieder auf, denn Rankstrail war vor die beiden Soldaten hingetreten. Auch Siuil hörte auf zu lachen. Hauptsächlich, um zu sehen, was da vorging, oder spontan, um dem zu folgen, der ihr Führer geworden war, standen die Männer, die noch am Boden saßen, einer nach dem anderen auf.
    Sie waren mehr als fünfzig.
    Argniòlo und seine Leute waren acht, den Henker eingeschlossen.
    »Und du, du Lump, wer glaubst du denn zu sein?«, fragte Argniòlo drohend und eisig.
     
    In der Verachtung lag, Rankstrail konnte es hören, ganz fern, leise, verborgen, unfasslich und

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