Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Bedingungen hätte Rankstrail sie weggejagt, wenn auch mit der erlesenen Höflichkeit, die er als Söldner diesen Sprösslingen der Aristokratie schuldete. An wenig konnte ihm weniger gelegen sein als an der grässlichen Aussicht, einen Tag lang Kindermädchen für die Tochter des Verwaltungsrichters zu spielen, die offenbar als halb schwachsinnig galt, während ihr Vater in dem Ruf stand, einen, wenn man nach der falschen Seite nieste, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in den unterirdischen Verliesen an den Füßen aufhängen zu lassen. Daher war es ratsam, sich da möglichst fernzuhalten und nichts mit ihnen zu tun zu haben.
Tatsache aber war, dass er nicht unter normalen Bedingungen lebte, also setzte er seine adligen Gesprächpartner in Kenntnis, dass das Angebot ihn sehr interessiere, unter der Bedingung, dass er im Tausch dafür außer ihrer immerwährenden Dankbarkeit, die sie ihm soeben geschworen hatten, sofort und auf der Stelle ein Schwert von ihnen bekam.
Man wurde sich schnell einig. Der jüngste der Fußsoldaten hatte soeben aus Anlass seiner Volljährigkeit eine Waffe geschenkt bekommen und überließ Rankstrail sein Schwert der Jugendzeit; es war ein wenig zu kurz und zu leicht für den Hauptmann, aber immerhin aus gutem Stahl und ohne Verzierungen.
Endlich gingen sie und endlich war der Reiher gar.
»He, Hauptmann«, sagte Lisentrail langsam, wie wenn man mit etwas begriffsstutzigen Kindern spricht, »kann ich den Spieß behalten, jetzt, wo du für die Schlacht etwas Besseres hast? Kann ich morgen auch mitkommen als Kindermädchen zur Prinzessin? Jetzt, wo du nicht mehr mit einem Spieß in den Krieg ziehst, können wir den Orks ja von deinem Ammendienst erzählen, dann lachen sie sich deswegen tot.«
Kapitel 11
Es war ein warmer Tag, Aurora würde ihn ganz im Garten des väterlichen Palasts verbringen.
Rankstrail stand stocksteif im Schatten einer Trauerweide, teilweise unter ihren tief hängenden Ästen verborgen.
Er trug einen Harnisch aus blankem Stahl mit kunstvollen silbernen Verzierungen, einen Helm mit Visier, worunter sein Gesicht ganz verborgen war, und hatte strikten Befehl, sich nicht vom Fleck zu rühren und keinen Mucks von sich zu geben, sich aufs Atmen zu beschränken, und auch das nur ganz leise. Der Harnisch saß nicht richtig oder Rankstrail war nicht daran gewöhnt, jedenfalls atmete er wirklich ganz flach und leise, denn das war das Äußerste, was er darin zuwege brachte.
Sein ganzes Leben lang hatte Rankstrail davon geträumt, einen Harnisch aus echtem Stahl zu haben, und jetzt, da er einen trug, konnte er es kaum erwarten, ihn wieder loszuwerden. Endlich verstand er, warum man Söldner schickte, um Banditen und Orks aufzuhalten. Mit dem ganzen Metall am Leib wäre es vermessen gewesen, es mit irgendeinem Lebewesen aufnehmen zu wollen, das angriffslustiger war als ein Maikäfer. Auch der Helm war unerträglich: Er würde zwar alle Pfeile abhalten, sicher, aber das Einzige, was man mit dieser Art Kessel auf dem Kopf machen konnte, war Bäumchen-wechsle-dich spielen.
Der Garten war schön, voll mit spätsommerlichen Blumen, aber die Glyzinienblüten waren riesengroß, irgendwie übertrieben, mit einem Duft, der einen benommen machte. Der Palast des Richters war ein klobiger, merkwürdig asymmetrischer Bau, ohne Säulen und Bögen, mit nur wenigen Fenstern und überhaupt keinen Verzierungen.
Die Tochter des Verwaltungsrichters musste jünger sein als Fiamma, sie mochte etwa zehn Jahre alt sein.
Sie trug ein Kleid aus silbernem und weißem Brokat, darüber eine lange Jacke aus karmesinrotem Samt, das waren die Farben von Daligar, die auch an den mit silbernen Bändern geschnürten Seidenschühchen wiederkehrten. Sie trug nichts, was hätte befleckt, zerdrückt oder beschmutzt werden dürfen. Vielleicht hielt sie sich deshalb so still und steif wie eine Marmorstatue. Sie war sehr schön. Die hellen Haare waren zu winzigen Zöpfen geflochten, in einem komplizierten Muster um den Kopf gelegt und von einem feinmaschigen Perlennetz gefasst, das ihr vollkommenes Antlitz umrahmte. Darin strahlten zwei große Augen in tiefem Meergrün, so dunkel wie das Meer an Wintertagen.
Rankstrail dachte an Fiammas Zöpfe. Er war es gewesen, der sie ihr jeden Morgen geflochten hatte, nachdem ihre Mutter gestorben war und bevor sie groß genug war, um allein zurechtzukommen. Bei seiner Schwester brauchte man nur die zwei seitlichen Zöpfe zu flechten, die dann um den Kopf gewunden und mit einem
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