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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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verrät einem das verzweifelte Gequake der Frösche, wenn sie im Schnabel der Reiher landen, wo diese sind. Im Übrigen machen die Frösche im Sommer ein solches Höllenspektakel, dass es einen Toten zum Leben erwecken könnte, mit Verlaub gesagt. Wenn man nichts fängt, bleiben immer noch die Frösche. Froschsuppe ist eine Delikatesse, müsst Ihr wissen, mein Fräulein, so gut wie Hühnersuppe, sie könnte wirklich einen Toten zum Leben erwecken. Wir hatten da eine Nachbarin, Donna Sabiria, die erzählte immer, einmal habe es so ausgesehen, als müsse ihr Vater sterben, und da hat sie ihm eine so gute Froschsuppe mit Peperoncini gekocht, dass er gesund geworden ist; er ist von seinem Lager aufgestanden und hat auf der Straße getanzt, er ist dann noch zehn Jahre am Leben geblieben. Deswegen ist es im Sommer schön in Varil. Man braucht nur Peperoncini, die Frösche sind für alle da. Das Schlimme ist der Winter, müsst Ihr wissen. Im Winter gibt es keine Frösche zu essen, und um Reiher zu jagen, muss man nächtelang in den Reisfeldern stehen, ganz stillhalten, bis einen eine Eule zum Nest führt, immer vorausgesetzt, das geschieht; und es gibt Nächte, in denen das nicht geschieht. Aber auch so gibt es Nächte, da ist es wirklich schön. Wenn ich mit etwas heimkam, war das nicht nur bei mir zu Hause ein Fest, den ganzen Weg entlang wurde gefeiert … Lasst mich mal sehen, wie groß Ihr seid. Vielleicht muss ich ihn etwas kleiner machen, aber nicht zu viel, dann könnt Ihr ihn später auch noch benutzen, wenn Ihr größer werdet. Was meint Ihr? So oder kleiner?«
    Das Mädchen dachte lang nach, dann schüttelte es unbestimmt den Kopf. Rankstrail fragte sich, ob sie vielleicht stumm war.
    Als er den Bogen fertig hatte, opferte Rankstrail ein Stück Ärmel von seinem Hemd in einem unbestimmten braunen Farbton und umwickelte dem Mädchen damit den linken Unterarm, um sie so vor dem Zurückschnellen der Sehne zu schützen, das scharf wie ein Peitschenhieb sein kann. Schließlich stellte er sich hinter Aurora, legt ihr den Bogen in die Hände und zeigte ihr, wie sie ihn halten musste.
    Es war unvermeidlich, dass er das Mädchen dabei berührte, und sie erbebte leicht, ein leises Zusammenzucken, wie wenn man einen Spatz in die Hand nimmt. Rankstrail, der seine Kindheit damit zugebracht hatte, seiner Schwester zu zeigen, wie man sich prügelt, und der abends nie ohne eine Umarmung von Vater und Mutter zu Bett gegangen war, vermutete, dass sie in ihren makellosen Kleidern niemals eine Liebkosung erfuhr.
    Er trat etwas zurück, er wollte nichts tun, was für sie ungewohnt war und sie womöglich erschreckte. Er zeigte ihr, wie sie den Bogen halten musste, und gab ihr die üblichen Erklärungen für Anfänger.
    »Seht Ihr, Fräulein, um zu entscheiden, mit welchem Auge man zielt, muss man Folgendes tun: Seht irgendetwas an, seht diese Mohnblume an, seht sie ganz fest an. Dann bedeckt ein Auge mit der Hand, dann das andere. Wenn Ihr ein Auge zuhaltet, und es ändert sich etwas, dann müsst Ihr mit dem anderen zielen, bei dem sich nichts ändert … Sehr gut, es ist das linke Auge? Gut, jetzt passt auf, Ihr müsst Blick und Pfeil in eine Linie mit dem Ziel bringen.«
    Die ersten Schüsse Auroras gingen ins Leere. Im Unterschied zu Fiamma hatte Aurora nicht nur nie eine Schleuder besessen, sondern offenbar auch nie irgendetwas gespielt. Sie hatte nicht genug Kraft, den Bogen straff genug zu spannen, um dem Pfeil eine Richtung zu geben. Sie hatte überhaupt keine Vorstellung davon, wie man zielt.
    Rankstrail erklärte noch einmal ausführlich, wie man Blick und Pfeil in eine Linie mit dem Ziel bringt, und ermahnte sie, die Sehne straffer anzuziehen. Nach einer Serie von verfehlten Schüssen und einem unfreiwilligen Attentat auf einen alten Kater, der mit empörtem Miauen davonsprang, sagte der junge Soldat schließlich, halb amüsiert, halb ärgerlich: »Die Elfen sagen, man müsse mit dem Auge des Geistes zielen und denken, man sei der Pfeil, aber ehrlich gesagt ich begreife nicht, was das heißen soll.«
    Das Mädchen drehte sich um und sah ihn aus seinen tiefen grünen Augen an.
    »Die Elfen sagen, man müsse mit dem Auge des Geistes zielen und denken, man sei der Pfeil«, wiederholte sie fast mechanisch.
    Zum ersten Mal vernahm Rankstrail ihre Stimme.
    Der folgende Schuss Auroras und die vielen weiteren, die noch folgten, waren absolut präzise. Sie war imstande, aus einer Entfernung von dreißig Fuß einen einzelnen Grashalm

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