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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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sollte, das in einer köstlichen goldbraunen Masse schimmerte, und die Bernsteinketten auf dem Verkaufsstand eines Goldschmiedes halfen ihm aus der Verlegenheit. »’ie da.«
    Erneut hatten seine Worte Unheil angerichtet wie die Eimer des Wasserträgers.
    Wieder erstarb die Fröhlichkeit im Blick der Mutter.
    »Woher weißt du das?«, fragte sie, die Stimme senkend. »Woher weißt du, was in dem Glas ist? Du hast doch noch nie Honig gesehen. Wir haben nie welchen gehabt.«
    Die Frage verblüffte Rankstrail. In dem Verlangen, die Traurigkeit zu verscheuchen, die wieder in den Augen seiner Mama erschienen war, suchte er angestrengt nach etwas Intelligentem, was er sagen konnte. Woher weiß man etwas? Woher wusste er es? Er wusste es, und basta. Woher wusste er, dass er Rankstrail und Mama die Mama war? Man weiß die Dinge einfach, und damit basta. Es gab keine Erklärung. Wieder machte er eine unbestimmte Bewegung.
    »Du weißt die Dinge, noch bevor sie passieren? Du weißt etwas schon, bevor es geschieht?«
    Die Frage hatte überhaupt keinen Sinn. Untröstlich hielt der Junge das Honigglas mit beiden Händen umklammert und versuchte mit aller Macht, sich etwas einfallen zu lassen, damit Mamas Lächeln wiederkam, versuchte zu begreifen, wo der Fehler gelegen hatte, warum die Fröhlichkeit verflogen war, wie ein Schmetterling, wenn man ihn aus dem Gefängnis der Hände freilässt.
    »Du weißt die Dinge, bevor sie passieren«, wisperte seine Mutter noch leiser, es war fast nur ein Hauch, »das darfst du niemandem erzählen. Hast du verstanden?«
    Rankstrail freute sich über das Wispern. Es stellte die Gemeinsamkeit zwischen ihm und seiner Mutter wieder her, die er unerklärlicherweise durch seine Worte zerstört hatte. Obwohl er nichts begriffen hatte, nickte er überzeugt, fest entschlossen, so oft wie möglich den Mund zu halten, was auch immer das Gesprächsthema sein mochte.
    Seine Mutter umarmte ihn noch einmal, und Rankstrails Angst, ihr Lächeln verscheucht zu haben, ließ nach.
    Sie schritten durch das Tor in der zweiten Mauereinfassung und gelangten in den Äußeren Bezirk. Dieser, zwischen der zweiten und dritten Mauereinfassung gelegene Teil war der jüngste, ärmste und feuchteste der Stadt. Eingeschlossen zwischen sehr hohen Mauern, lag er beständig im Schatten. Nur im Sommer fiel in der Mittagszeit etwas Sonnenlicht hier herein und verscheuchte ein paar Stunden lang Dunkelheit und Feuchtigkeit, die hier sonst unangefochten herrschten. Im nördlichen Teil wurde ein Brunnen in Form eines Greifenkopfes aus einer Quelle gespeist und gab seinerseits das Wasser an große Wasserbecken weiter und an zahllose Pfützen, die niemals austrockneten. Eine dicke Moosschicht überwucherte und bedeckte die Stadtmauern bis herab auf die Dächer der winzigen, höhlenartigen Häuser, die wie Pilzkolonien an den Mauern klebten und all die Schiffbrüchigen aufnahmen, die aus der Welt draußen nach Varil gekommen waren, auf der Suche nach einem Ort, wo sie bleiben konnten. Da waren Flüchtlinge aus den östlichen Gebieten an den Rändern der Bekannten Welt, von den Überfällen der Orks in die Flucht geschlagen; da waren die blonden Riesen aus den Bergen des Nordens, vom Frost und den Wölfen vertrieben, und Nomadenstämme aus den Steppen jenseits der Unbekannten Welt.
    Varil war nie belagert worden, auch damals nicht, als die Orks wie die Hyänen über das Land hergefallen waren und Sire Arduin sie bekämpfen musste, sie besiegte und bis über die Grenzen der Bekannten Welt hinaus zurückschlug. Deshalb waren die Außenbezirke etwas heruntergekommen, die Mauern verfielen in der allgemeinen Verwahrlosung immer mehr, wurden brüchig und unregelmäßig. Das Mauerwerk, auf dem die Hellebardiere ihre Rundgänge machten, war so bröckelig geworden, dass nicht nur Kapernsträucher zwischen den losen Steinen Wurzeln schlugen, sondern sogar ganze Feigen- und Kirschbäume. Im oberen Teil, wo ein wenig Sonne hinkam, waren auf Holzplanken Terrassen angelegt worden, gestützt auf in die Mauer gerammte Stämme und Äste und zu erreichen über Seile und Sprossenleitern, darauf hatte man dürftige Gemüsegärten angelegt, auf einer dünnen Schicht Erde, die von Hand heraufgeschafft worden war. Bei Regen und Hagel schwemmte es das spärliche Erdreich auf die Dächer der Hütten hinunter, wo sich zum Moos bald auch Farne gesellt hatten, sodass ein Gebilde irgendwo zwischen Stadt, Wald und hängendem Garten entstand. An Sonnentagen war dort

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