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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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Brokat und dem Samt offenbar doch Spuren hinterlassen, die für ihre Augen unsichtbar, für den kritischen Blick der Hofdamen aber riesengroß sein mussten.
    Rankstrail ging davon, den Rest des Kaninchens im Quersack, mit hängendem Kopf und einer unbestimmten unangenehmen Empfindung, die nicht nur von dem unerträglich lästigen Harnisch herrührte, der ihm in den Hals schnitt. Er war um drei Groschen ärmer, die seine ganze Habe ausgemacht hatten, und er würde anderthalb Tage lang ohne Brot auskommen müssen, aber das war es nicht. Es war auch nicht die Versuchung, das gegebene Versprechen zu brechen und den Rest des Kaninchens zu vertilgen, oder die Überwindung, die es ihn kostete, ihr nicht nachzugeben.
    Er brauchte einige Zeit, um seinem Unbehagen einen Namen geben zu können, dann, während er Auroras Jagdbeute ein paar Straßenkindern übergab, kam er drauf.
    Er hatte das völlig unbegründete, vernunftwidrige Gefühl, die oberste und erste Anstandsregel zu verletzen, die es für jeden Angehörigen irgendeiner Truppe gab.
    Niemals einen Kameraden zurücklassen.
    Nie irgendwen zurücklassen.

Kapitel 14
    Neun Tage waren vergangen seit den Festlichkeiten und nichts war geschehen. Die Zeit schlich dahin. Tag für Tag trafen Flüchtlinge aus Bonavent vom Rande der Bekannten Welt ein. Es gab keine Worte mehr, das Grauen zu schildern, es gab keine Tränen mehr, es zu beweinen. Die Stadt Daligar nahm niemanden auf.
    Die Flüchtlinge waren Frauen und Kinder. Die Männer waren zurückgeblieben, um ihre Höfe, ihr Vieh, ihre Äcker und Gärten, die sie seit Generationen im Schweiße ihres Angesichts bestellt hatten, zu schützen.
    Die Männer waren zurückgeblieben und hatten den Tod gefunden.
    Jetzt lagerten die Frauen und Kinder vor den Mauern der Stadt.
    Sie versammelten sich ums Feuer, reihum standen die Frauen eine nach der anderen auf und riefen die Namen der Männer und Söhne in Erinnerung, die sie verloren hatten; eine nach der anderen riefen sie die Häuser in Erinnerung, die sie bewohnt hatten, das Leben, wie es gewesen war, auch die Namen der Tiere, die sie besessen hatten und die von den Feinden geschlachtet worden waren, um sie zu essen oder einfach so, aus purem Übermut. Für Bauern sind Tiere nämlich fast so etwas wie Familienmitglieder, eine letzte Garantie gegen Hunger, Elend und Einsamkeit, damit die nicht übermächtig werden können.
    Und nach den Frauen sprachen die Kinder, die, die schon sprechen konnten. Eins nach dem anderen riefen sie ihre Väter in Erinnerung, ihre Großväter, ihre Brüder und die jungen Tiere, mit denen sie gespielt hatten, und das Spielzeug, das sie gehabt hatten, denn jedes Kind hat ein Spielzeug, ein Stück Holz oder einen Stein, dem es einen eigenen Namen gibt.
    So schloss sich der Kreis des Schmerzes und der Klage rings ums Feuer und dann begann alles wieder von vorn.
    Rankstrail und Lisentrail gingen auf die Jagd. Das war nicht erlaubt, was hieß, dass es mit den verschiedensten Folterstrafen geahndet wurde, aber der junge Hauptmann der Leichten Infanterie hatte sich schon den Ruf erworben, einen eher heiklen Charakter zu besitzen, und niemand wollte sich gern mit ihm anlegen. Wenn sie zurückkamen, überließen er und Lisentrail fast alles den Frauen an ihren Feuern, und manchmal blieben sie auch bei ihnen hocken und hörten sich ihre Geschichten an, die sich alle irgendwie ähnelten, Geschichten von Schreien, Feuer und Schlägen in der Nacht.
    Der Hauptmann schwor sich, dass er die Orks aufhalten würde.
    Er schwor sich, wenn er sie aufgehalten hätte, würde er sie verfolgen bis ans Ende der Welt.
    Er würde sie ausrotten bis auf den letzten Ork, der würde ihn um Gnade anflehen, er aber würde kein Erbarmen kennen.
     
    Zusammen mit allen anderen Söldnern wurde er zum Appell in den Hohen Hof befohlen, der lag in der Festung unterhalb des Palasts des Verwaltungsrichters. Die Abteilungen der Leichten Infanterie waren vollzählig angetreten, etwa ein halbes Dutzend, fast fünfhundert Mann. Zu Rankstrails Abteilung hatte man noch Rekruten hinzugefügt, um die erforderliche Zahl von hundert Mann oder exakt vier Zügen vollzumachen. Das waren natürlich alles Leute, die sich für den Sold verdingten, viele von ihnen kamen aber aus Familien, die aus den Grenzlanden hatten fliehen müssen und die wollten wirklich gegen die Orks kämpfen. Viele standen, etliche saßen am Boden oder auf den Stufen der zwei schmalen, von Efeu überwucherten Treppen, die zu den

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