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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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nicht, was sie tut. Ganz sicher ist es so. Sie weiß, daß ich
sie liebe. Was ihre Position in Bezug auf mich über Gebühr stärkt. Sie nutzt
meine Liebe aus. Alle Frauen tun das. Es liegt in ihrer Natur. Ob es ihnen
bewußt ist oder nicht. Wenn es nur um zwei, drei Wochen ginge, müßte sie sich
nicht nach meinen Vermögensverhältnissen erkundigen. Oder?
    3. Januar
    Kati hat mir eine
Mail geschrieben: Fahre mit Serge für einige Zeit ins Ausland. Schick mir bitte keine SMS mehr. Gruß K.
    Serge hat sich einfach aus der
Klinik geschlichen, hat mir Borten erzählt, der es vom Chefarzt weiß. Dabei
hätte man sowieso keine rechtliche Handhabe gehabt, ihn gegen seinen Willen
dazubehalten. Alle, die Serge kennen, sollen ihm das sagen. Er soll sich
melden, damit die Medikation weitergehen kann. Ich habe Kati gebeten, ihm das
auszurichten. Borten meinte zu mir, es tue ihm sehr leid, er habe ein
schlechtes Gewissen, aber er müsse Serge vielleicht doch kündigen. Wenn er
nicht bald komplett wiederhergestellt sei und sich zur Arbeit melde.
Wirtschaftliche Zwänge, so sei das Leben, rücksichtslos und grausam. Das habe
ich Kati aber nicht erzählt. Die beiden sollen sich erst mal zwei Wochen
entspannen, dann sieht vielleicht alles schon wieder ganz anders aus.
    7. Januar
    Kati zuliebe nehme
ich die Tabletten weiter, obwohl ich glaube, daß sie meine Gedanken
unterdrücken. Seit wir hier sind, ist in meinem Kopf nichts los, ich trage ein
fettes Vakuum zwischen den Ohren spazieren, ein schwarzes Loch, das alles, was
ich sehe und empfinde, aufsaugt und in Nichts verwandelt. Es ist, als wär ich
nicht vor Ort. Mein Körper geht spazieren und sieht Dinge und meldet
irgendeiner Instanz in mir, daß das an sich ganz hübsch sei, genossen werden
müsse. Kati mag seltsame Häuser. Und ich – was von mir übrig geblieben ist –
antworte: Jaja, und lenke meinen Körper dahin, dorthin. Wirklich seltsame
Häuser. Es ist sonnig, zwölf Grad plus, wir wohnen bei Katis Freunden im
Gästezimmer, schlafen auf einer aufblasbaren Matratze, was unbequemer klingt,
als es ist. Greta und Ralf, so heißen die beiden, keine Ahnung, woher Kati die
kennt, arbeiten hier für einen Pokerserver, in der Kundenbetreuung. Ich habe
nie Poker gespielt und weiß nicht, was das für ein Job ist. Die Leute leben von
weißgottwas. Geht mich auch nichts an. Ich bin freundlich gewesen, vielleicht
etwas schweigsam. Was soll ich denn sagen? Wir waren in einem angeblich guten
Restaurant, Greta sagte, es sei auf der Insel mit das beste. Kati bat mich, die
Rechnung zu übernehmen, das gehöre sich so, weil die beiden uns bei sich
aufgenommen hätten. Das wird seine Richtigkeit haben. Die alten gelben Busse
hier haben mir gefallen, und als ich das erwähnte, sagte Ralf, man habe eben
beschlossen, sie bald abzuschaffen. Der mag mich anscheinend nicht. Wie kann
man auf Malta die alten gelben Busse abschaffen, deren Miniaturausgabe jedes
Kind im Souvenirshop kaufen kann? Das ist doch idiotisch. Das Essen im
Tarragon, dem angeblich besten Restaurant der Insel, war teuer, aber wohl okay,
ich schmecke nicht viel, das kommt von den Tabletten. Wenn wir abends allein
sind, Kati und ich, sehen wir uns DVD s an, aus der großen Sammlung von Greta und
Ralf, obwohl man über Satellit deutsches Fernsehen empfangen kann. Kati will
nicht deutsch fernsehen, dazu sei sie nicht nach Malta gekommen. Wozu sind wir
denn nach Malta gekommen? Ist sie nicht wegen mir nach Malta gekommen? Ich war
beleidigt, weil ich die Tagesschau sehen wollte. Allerdings hatte ich nicht
laut gesagt, daß ich die Tagesschau sehen wollte. Ich vermeide es, gegenüber
Kati laut zu werden. Sie könnte es für einen Rückfall halten. Greta und Ralf
arbeiten meistens in der Nachtschicht. In ihrer Freizeit gehen sie in eins der
vier Spielcasinos der Insel und zocken an den Pokertischen. Sie wollten mich überreden,
sie einmal zu begleiten, aber ich verstehe doch gar nichts davon. Kati ging
aber mit, als würde sie was davon verstehen. Geselligkeit, hat sie gesagt. Und
mich hier allein gelassen. Keine drei Tage hier, und schon überläßt sie mich
einer zugegebenermaßen umfangreichen DVD -Sammlung. Ich
hab mir die Tagesschau angesehen. Deutschland leidet unter dem schlimmsten
Winter seit 1978/79. In vielen Städten herrscht Mangel an Streusalz, und
Fußgänger ziehen sich Knochenbrüche zu. En Masse. Siehste, würde Kati sagen, da
ist es doch umso besser, daß wir hier sind, im Warmen, fünf Minuten vom Meer,
und noch

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