Die letzten schönen Tage
Gesicht. Ich schätze an Serge so sehr, wie schweigsam
er sein kann, wo es nichts zu sagen gibt. Und wie er da stand, im Sand, im
Wind, ganz, als sei er nicht von dieser Welt, liebte ich ihn ungeheuer. Greta
und Ralf quatschten dauernd über Pokerblätter. So ermüdend. Das merkten sie
bald selbst, begannen übers Wetter zu reden. Wie alte Leute. Ich sah den Ekel
auf Serges Mund. Und litt mit ihm. Ich möchte seine Gefährtin sein in der
Gefahr. Er traut mir nicht.
10. Januar
Kati funktioniert
sehr einfach, wie ein Münzautomat. Man muß oben etwas einschmeißen, zum
Beispiel: Ich liebe dich, ich brauche dich, du bist mir wichtig! – Schon wird
sie unten feucht/freigebig. Das meine ich nicht so grob, wie es klingt, obwohl
es auch auf jenem Niveau stimmt, leider. Sie bezieht, glaube ich, eine gewisse
Erregung aus dem Umstand, gebraucht zu werden, nützlich zu sein. Sie leidet
unter einem typischen Helfersyndrom, was die Hilfe, die sie mir bietet, in
ihrem Wert – und in meiner Wertschätzung – relativiert. Immer muß ich denken,
sie täte, was sie für mich tut, letztlich nur für sich selbst. Was genau hat
sie denn sonst davon? Ich bin so ungerecht. Prompt empfinde ich gewaltige Reue,
Kati solch egoistischer Motive zu verdächtigen. Jemand wie ich ist doppelt
geschlagen. Ich weiß, was mit mir nicht stimmt, und wenn mir jemand hilft,
reagiere ich paranoid, als wolle mich jemand bestehlen, wo doch, seien wir
ehrlich, bei mir kaum was zu holen ist. Ich bin Müll und werde, wenn man mich
einmal verbrennt, ein Sack voll grauer Asche sein. Die füllt man dann in eine
Urne, und alles, was da einmal war, ist platzsparend untergebracht.
Ich kann Kati nicht lieben,
solange ich krank bin. Ihr das zu sagen, wäre unhöflich. Manchmal wünsch ich
sie weg, damit ich den letzten Felsen endlich betreten kann, und dann bin ich
wieder so froh, daß sie mir ein Händchen hält, meiner Angst ein wenig – wenn
auch sehr naive – Zuversicht beimischt. Liebe kann Belastung sein. Ich will
nicht, daß Kati mich begleitet. Und wäre doch todtraurig, wenn sie geht.
Zwischen den Felsen lungern
Katzen, durch Räude ausgezehrt, kaum Fleisch zwischen Haut und Knochen, sie
sehen mich aus trüben Augen an. Nur vereinzelte Büschel Fell sind ihnen
geblieben, sie haben eine Halbwertzeit von Tagen, nicht Wochen, sie symbolisieren
alles Kranke dieser Welt, doch auch den Willen, dem Tod noch Zeit abzutrotzen,
nicht freiwillig zu krepieren, die renitenten Viecher genießen mein Mitgefühl,
ich bin sentimental, gönne jeglichem Leben den Wunsch nach mehr davon. Es ist
großartig genug, einfach da zu sein, wo so viele andere längst tot sind.
Ein heftiger Wind biegt die
Araukarien, jene ulkigen Bäume, mit denen Riesen ihre Pfeifen putzen. Von den
Hinterhöfen der Kneipen her weht der Geruch von auf offenem Feuer gebratenem
Fisch.
Was mich nervt, sind diese
beiden netten Idioten, die dauernd über Poker reden und mit welchen Blättern
sie im Casino knapp – immer ganz knapp und ungerecht – gescheitert sind. Es
scheint ihnen nicht klar zu sein, daß weder Kati noch ich einen blassen Schimmer
davon haben, worüber die beiden reden. Die sagen Zeug wie, sie checken nach
einem Reraise und waren sucked out, under the gun, mit dem dritten König nach
dem Turn gegen einen Nut-Flush-Draw und mußten wegen des Small Stacks All-In.
Oder so ähnlich. Was soll das? Sie leben in einer ganz eigenen Welt, sind seit
neun Jahren zusammen und glücklich miteinander. Das Wort Idioten nehme ich
zurück. Sie sind sogar intelligent, lesen Bücher, aber, wie soll ichs sagen,
sie existieren auf eine so schnippisch-kindliche Weise, haben einfach keine
echten Probleme, das ist kaum auszuhalten. Diese Greta, eine kurvige Blondine
mit enormem Vorbau, scheint von der halben maltesischen Männerwelt
angeschmachtet zu werden. Sie ist witzig und freundlich. Es scheint so, als imponiere
ihr mein komplettes Desinteresse an ihrem Körper. Ralf, der Schlacks mit der
Retro-Hornbrille, soll, so heißt es, hin und wieder ausrasten am Pokertisch,
weshalb er in zwei der vier Inselcasinos Hausverbot hat. Das macht ihn ganz
sympathisch, aber eifersüchtig ist er wie Othello und beäugt mich mißtrauisch,
kann nicht glauben, daß irgendjemand seiner Greta nicht sabbernd
hinterherlaufen würde. Umgekehrt findet er, daß Kati zu mager ist, und fordert
sie regelmäßig auf, mehr Kohlehydrate zu futtern, als wäre er ihr Arzt. Wir
haben einen Ausflug nach Mdina gemacht. Viele alte schmucke
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