Die letzten schönen Tage
kam ein
Einschreiben von der Hausverwaltung, für Greta Jensen und Ralf Tannich. Wir
hielten es unter den gegebenen Umständen für angemessen, den Schrieb zu öffnen
und zu lesen. Es war eine vorgedruckte Zahlungsaufforderung für die zum ersten
Januar fällige Miete in Höhe von (das war mit Hand eingetragen) 650 Euro, die
binnen 14 Tagen auf das Konto soundso, ansonsten eine kostenpflichtige Mahnung
etc.
Sollen wir den beiden
jetzt die Miete zahlen? Immerhin wohnen wir bei ihnen sehr bequem, und es ist
immer noch viel billiger, als wenn wir ein Hotel nehmen.
Ich halte es für eine
Freundschaftspflicht, den beiden auszuhelfen – und sie können uns ja einen Teil
der Summe zurückzahlen, wenn sie wieder im Land und bei Kasse sind. Serge
meinte, wir sollten zur Polizei gehen und eine Vermißtenanzeige aufgeben. Aber wir
haben doch eine SMS bekommen, in der Greta davon sprach, daß sie
für ein paar Tage – Ja, ein paar Tage! unterbrach mich Serge. Das sei schon
über drei Wochen her! Entweder sind die beiden tot oder sehr unhöflich. Ich
solle mir was aussuchen. Für Serge wären sie wahrscheinlich tot schon unhöflich
genug. Offenbar hatten sie schon Anfang Januar kein Geld mehr. Und als wir
genauer darüber nachdachten, ja, immer hatten wir bezahlt, ob im Tarragon, oder
in der St. Johns Cathedral. Noch genauer genommen hat Serge bezahlt, nicht ich.
Es folgte eine lange
Diskussion. Ergebnis: Wir bezahlen die Januarmiete (jeder von uns zur Hälfte),
lassen uns aber für die vom Februar erst noch einmal mahnen. Zwar geht Serge
davon aus, daß er noch länger auf Malta bleiben möchte, schon wegen der Analyse,
die ihm so vielversprechend erscheint. Aber es könne ja immer etwas
Unvorhergesehenes passieren.
Auf die Vermißtenanzeige
verzichten wir. Vorerst. Greta und Ralf sind erwachsene Menschen, und sie
werden ihre Gründe haben, sich nicht zu melden. Greta hat mir immer vom
maltesischen Karneval vorgeschwärmt, der in einer Woche beginnt. Überall in den
Straßen sind Menschen damit beschäftigt, Dekor aufzubauen für das Spektakel.
*
Kati hat sich bereit
erklärt, die Hälfte der Miete auszulegen, was ich erst gut fand, was mich dann
aber mit einem unguten Nachgeschmack zurückließ. Sie ist meine Freundin, hat
kaum was auf der hohen Kante – und ich kam mir knickrig vor, nicht gerade gentlemanlike.
Ich bin an sich das Gegenteil von geizig. Nur das Gefühl ausgenutzt zu werden
ist eines, das ich vermeiden will, weil es böse Gedanken in mir züchtet.
Huytens gegenüber hab ich mich als ausgesprochen spendabel beschrieben, aber in
der nächsten Sitzung werde ich das korrigieren, zumindest relativieren. Es ist
wichtig, diesem einen Menschen die Wahrheit zu sagen, ohne Beschönigungen,
sonst hat das keinen Sinn. Leider weiß ich nicht in jedem Moment ganz genau,
was die Wahrheit ist, beziehungsweise ändert sie sich mit jedem Moment, scheint
viele Seiten und Ecken und Kanten zu haben, wechselt die Farbe mit jeder neuen
Perspektive. Ich weiß jetzt schon, was Huytens antworten wird. Daß wir auf dem
Weg zur Wahrheit sind und ich ihm nichts nachträglich Zurechtgezimmertes auf
den Tisch packen soll, was ich mit der Wahrheit vielleicht nur verwechsle.
Offenheit sei gefragt. Was immer in meinem Kopf vorgehe, solle ich ihm
zugänglich machen, ob ich es für wichtig halte oder nicht. Er ist so
unerbittlich und dominant, kaschiert das nicht einmal. Ehrlichkeit, die so
unverschlagen daherkommt, beeindruckt mich.
6. Februar
Heute bekam ich eine
sonderbare SMS . Still
interested in news about Greta & Ralf? Meet me in my office. Roger. Woher hat dieser Mensch bloß meine Nummer? Ich
sagte Serge, ich ginge shoppen, und bin gleich hin zum Dragonara. Warum lüge
ich Serge an? Weil ich ihm vorher nicht alles erzählt habe – und so beginnt die
Scheiße, eine noch so kleine Lüge zieht immer neue nach sich, dabei hab ich
nicht mal gelogen, nur, wie soll ich sagen, in meiner Berichterstattung was
ausgelassen. Ich also hin zum Casino und in Rogers Büro. Er empfing mich mit
Handschlag, betont sachlich. Woher er meine Nummer habe, war meine erste Frage.
Er meinte, das sei kein Problem gewesen, bei jedem Besuch im Casino sei mein
Perso kopiert worden, meine Mobilfunknummer zu ermitteln habe ihn nur Sekunden
gekostet. Ach ja. Das sei aber ein krasser Eingriff in meine Intimsphäre.
Möglicherweise schon, gab er zu. Aber er wolle nur helfen. Nun – und? Ich war
ungeduldig und recht wenig freundlich. Nun ja. Greta und Ralf
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