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Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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gerade erst angefangen, mir über die Dinge klarzuwerden.«
    Er lachte und streckte die Hand aus. »Dann bist du den meisten voraus.«
    Er war für sie klar und deutlich zu sehen; es war die Welt, die verschwommen war. Sie blickte sich um. Stimmen waren zu hören, das geschäftige Murmeln angehäufter Zeitalter, eine Zeit von solchem Gewicht, daß die Welt es kaum tragen konnte.
    »Ich hätte es besser machen können.«
    Die Hand blieb ausgestreckt, als sei die Geste von Bedeutung. Sie streckte die eigene aus, und seine war warm.
    »Bis die Sonne stirbt«, sagte er. »Was dann?« Es war die erste Frage. Er sagte es ihr.

Eis
    (MOSKAU)
     
    Schönheit lag überall um das uralte Moskva in der ungeheuren Flut von Weiß am Ende der Welt. Moskva durchlebte die letzten Zeitalter eingehüllt in Schnee, während Wälder vorrückten und sich wieder zurückzogen und die Schiffe von den Sternen nicht mehr kamen.
    Die Stadt verlor die Verbindung zu anderen Städten und machte sich wenig daraus, denn sie hatte ihren eigenen Kampf zu führen, einen Kampf, der ihr eigentümlich war: ein Kampf der Seele, ein innerer und endloser Krieg, den jeder Bürger und jede Bürgerin auf seine oder ihre Weise kämpfte. In diesem Kampf wurde Moskva zu dem, was es war, eine Stadt, die zum größeren Teil nicht mehr aus Stein bestand, sondern aus Holz, wie schon zu ihren Anfingen. Ah, alte, uralte Monumente lagen darunter, erstarrt, verzogen und verändert, dienten nur noch als Fundamente. An manchen Stellen überall in der Stadt erhoben sich immer noch riesige Statuenköpfe und die Dächer altertümlicher Bauwerke in seltsamen Winkeln, aber ihre Kennzeichen und ihre Ecken waren verwischt, von den Winden weiß und rund und glatt gescheuert, der Stein eins geworden mit dem Schnee, wie die Schneemassen überhaupt die ganze Vergangenheit in reinstes Weiß gehüllt hatten und alles bedeckten, was war und was noch kommen sollte.
    Aber die Häuser dieser Zeit, farbenprächtig, mit Schnitzereien geschmückt, die warmen Häuser, in denen die Menschen lebten, waren aus dem Holz des letzten schwindenden Waldes gefertigt, aus Holz, an dem die Menschen ihre letzte und höchste Kunstfertigkeit gezeigt hatten. Auf jedem Zoll der Oberflächen und Säulen wanden sich Blumen ineinander, starrten menschliche Gesichter hervor, und Reben und Muster aus hellen Farben zogen den Blick auf sich. Tierhäute schmückten die Böden, und Sträuße getrockneter Blumen, Erinnerungen an Sommer, standen auf Tischen, die ebenfalls geschnitzt waren und rot und grün und golden und blau angestrichen. In jedem Heim brannten Feuerstellen hell und schickten fröhlichen dunklen Rauch nach oben, den die Winde forttrugen, sobald er den Himmel berührte.
    Die Menschen schritten auf den schneebedeckten Straßen, angetan mit Pelzen, deren Säume aus hellen Filzstickereien bestanden, rot und blau und grün, mit Bordürenmustern aus kompliziertesten Stickereien, die Lilien darstellten und andere Blumen und goldene Ähren; mit Schals, handbestickt mit verschlungenen Rebenmustern, alle edelsteinhell, jedes Kleidungsstück voller Glanz, eine Erinnerung an Farbe, eine Freude für das Auge. Die Seele all der Menschen, die in Moskva lebten, ergoß sich in die Anfertigung dieser vielfarbigen Schönheit, des reichen Erbes von all dem Land und den Feldern und der Herzensleidenschaft, sowohl der Holzbauten innerhalb der Holzmauern Moskvas als auch der frohen Farben, die die Menschen trugen. Sie kannten Tänze, die eine Zelebrierung des Lebens waren – ein Tanzen und Singen, nach dem die Teilnehmer erschöpft zu Boden fielen, voller Wärme und Freude, Feiern, in denen sie das Leben selbst tanzten, im hellen Wirbel der Kleider und Quasten und Schals und dem Stampfen verzierter Stiefel, alle unterscheidbar an Blumen und Rentieren und Pferden. Die Musik von Saiten und von Stimmen stieg aus Moskva empor zu den Winden.
    Aber über der Stadt veränderten sich die Lieder und übertönte sie die Stimme des Windes, der die tapferen Worte zu Klagelauten verzerrte und das Klagen schließlich verwandelte in das Flüstern von Pulverschnee entlang des rauhen Eises auf dem Geflecht von Flüssen innerhalb Moskvas, die nur für wenige Wochen im Jahr auftauten und meistens tief und fest gefroren waren... Körner fauchten über eisige Grate außerhalb der Stadtmauern und erzählten flüsternd vom Norden, von Boden, endlos mit Schnee bedeckt und frei vom Abdruck jeglichen Fußes für alle Zeiten.
    Weiß – aber nur

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