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Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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keine Grenzen auf außer denen des Geistes.
    Und auch diese hatte er schon durchmessen und ergründet.
    Mit zwölf kannte er die Grenzen aller, die ihn umgaben, und hatte er all die Vergnügungen erlebt, ein Erbe von vielen tausend seiner Art, von denen alle jung gestorben waren, in einer Stadt, deren Ewigkeit ein sehr, sehr langsamer Tod war.
    Vielleicht sterbe ich heute nacht, dachte er und genoß diesen Gedanken.
    Er saß viel in seiner Zelle. An diesem Tag – wenn es Tag war – wußte er, daß sie ihn beobachteten, und das hatten sie bis jetzt nicht getan. Aber es stand ihnen frei, das zu tun, und er konnte sich nicht beschweren. Er saß da, starrte auf seine Hände und wartete. Die Zeit würde kommen, wo sie darauf bestanden, daß er aß und trank; oder sie würden ihn einschläfern und die Nahrung in ihn hineinzwingen. Er saß jetzt ganz ruhig da und verriet seine Kenntnis von ihrer Anwesenheit nicht. Einmal hatte er Würde besessen. Die anderen besaßen keine, die hereinstarrten und herumschnüffelten und nicht vor sein Angesicht traten, aber seine Schande bestand darin, daß er solchen Leuten in die Hände gefallen war. Eines Tages mußten sie dieser Sache müde werden, dachte er, wenn er sich überhaupt erlaubte zu denken, und dann mußten sie eine Entscheidung treffen, was zu tun war. Vielleicht heute, überlegte er, erlaubte sich aber nicht, diesen Gedanken festzuhalten, denn das hätte bedeutet, sich endgültig in ihre Macht zu begeben, und er wollte weder auf sie reagieren noch an sie denken. Er war allein. Es war ihre Schuld. Wenn sie noch mehr wollten, dann mußten sie schon zu ihm kommen und es ihm antun. Er würde ihnen nicht helfen.
    Und dann befiel die Müdigkeit seine Glieder, und er saß da, immer noch im Besitz seiner kleinen Würde, während seine Glieder erschlafften und er langsam nachgab. Sie machten das üblicherweise mit ihm, wenn sie etwas mit ihm anzustellen gedachten. Das hatten sie jetzt vor.
    Aber dieses Mal versagten allein die Glieder, nicht das Bewußtsein.
    Die sterbende Sonne ging unter, und der angeschwollene Mond stieg über den Sümpfen am Fluß auf, berührte die Katakomben der gewöhnlichen Hügel und die Lotoskuppel des siebenten.
    Es war soweit.
    Die Prozession verließ den Hafen, eine langsame Reihe von Dienern Ginars, die die Aufnahmegeräte trugen und einen schwarzen Plastiksarg. Sie überquerten die Brücke mit den gesichtslosen Statuen; und als das letzte Stück der kranken Sonne hinter den Horizont sank, folgten sie den Wegen der Katakomben, wo die Arbeiter ihnen wie Statuen zusahen, vielleicht Angst hatten, denn die schrecklichsten Träume liefen manchmal über und verbreiteten selbst hier Schrecken, ein Miasma aus dem Palast, das sogar die Stadt infizierte.
    Sie erreichten das erste Tor und überquerten das Ruinenfeld; gelangten an das zweite und legten den Weg der Tausend Stufen zurück, die Steigung hinauf zum dritten Tor. Dort blieben die Diener stehen und setzten den Apparat und den Sarg ab. Belat hob den Apparat auf und hatte mit dessen Gewicht zu kämpfen. Die Wächter und Herren hoben den Sarg hoch und trugen ihn weiter, hinein in die verbotenen Bereiche des Lotospalastes, die nur von den Privilegierten betreten werden durften.
    Und von den Opfern.
    Manche, die hergebracht wurden, kämpften bis zum Ende, manche schrien oder fluchten. Dieser tat das nicht, stand unter Drogen, allerdings nicht zu stark; Belat hatte sich dessen versichert. Der Sarg wurde vorneweg getragen durch den Gang mit den Lotosstengeln, und Belat ging als letzter, unpassenderweise wie ein Trauernder, den Kopf gesenkt unter seiner Last, nach Luft schnappend hinter den ausgreifenden Schritten der Wächter, die den Kasten trugen... hinein in die innerste Halle, unter die Lilienblätterdecke und vor den Lotosthron.
    Die Träume waren vorbereitet. Der Apparat, der die Lotoskuppel im Grunde
war
, sollte bald eingeschaltet werden. Und der Tyrann würde seine kostbare Überraschung erleben, einen manischen
Netang
... eine ordentlich ausgelegte Falle, sogar legal: ein primitiver Geist war es diesmal, ohne die Sanftheit der Traumreisenden, die seine üblichen Geschenke waren, die Süchtigen aus den Ersten Kolonien, die in seine Hände fielen und verschwanden, wenn sie den äußersten Nervenkitzel suchten – und hier fanden, indem sie selbst Material für die Stadt und ihre Träume wurden, aufgezeichnet und wieder zurückverkauft, um weitere anzulocken.
    Diesmal nicht... diesmal eine

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