Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)
Konkursverwalter und Eventmanager ist der EU -Fundraiser schon der dritte Beruf mit rosigen Zukunftsaussichten. Weniger romantisch ausgedrückt: Auch das professionelle Schnorren kann erlernt werden. Wobei die »Qualifizierung zum EU -Fundraiser« »komplett gefördert« wird! Zum Beispiel »durch einen Bildungsgutschein, das Bundesprogramm WeGebAU und durch Förderprogramme der Bundesländer«. Jetzt wollen Sie bestimmt wissen, was WeGebAU bedeutet. Ich habe es nachgesehen: »Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen.« So wie Abgeordnete und Minister nach Brüssel abgeschoben werden, so werden Geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer zu EU -Fundraisern umgeschult. Die »Qualifizierung« kostet »im Gesamtpaket« nur 5450 Euro. Der günstige Preis kommt daher, »da die Weiterbildung vom Berliner Senat von der Mehrwertsteuer befreit worden ist«. Sonst würde sie einen Tausender mehr kosten. Was aber auch nicht weiter schlimm wäre, weil – wie schon gesagt – »die Teilnahmegebühr durch verschiedene Förderprogramme komplett finanziert werden« kann.
Halleluja! Dagegen war die Speisung der Fünftausend durch Jesus eine Seminararbeit für Anfänger. Die Wunder, die von der EU bewirkt werden, sind viel eindrucksvoller. Heute würden sich die Jünger Jesu, statt Evangelien zu schreiben, zu EU -Fundraisern ausbilden lassen.
Denn Europa ist nicht nur ein Binnenmarkt mit 500 Millionen Konsumenten, eine wuchernde Bürokratie, ein Geldeinnahme- und -verteilungsapparat, eine moderne Frankenstein-Geschichte, Europa ist auch ein »Lebensgefühl«, bezeugt Monika Bittner in einem »Testimonial« der Kampagne »Ich will Europa«, einer »Initiative Engagierter Europäer«, die von elf deutschen Stiftungen, darunter denen von Allianz, BMW , Bosch und VW, ins Leben gerufen wurde, um »die europäische Integration zu vertiefen«. Was macht dieses »Lebensgefühl« aus? »Ich kann mit Spaniern in Berlin wohnen, mit Franzosen in Kopenhagen studieren, polnisches Bier trinken und britische Magazine lesen.«
Ich weiß nicht, ob es Monika Bittner wirklich gibt oder ob irgendeine junge Frau von den Streetworkern der »Engagierten Europäer« aufgegriffen wurde, um für ein Taschengeld so zu tun, als wäre sie Monika Bittner. Jedenfalls würde ich sie gerne fragen, ob für das Vergnügen, mit Spaniern in Berlin wohnen, mit Franzosen in Kopenhagen studieren, polnisches Bier trinken und britische Magazine lesen zu können, ein Apparat unterhalten werden muss, der sich wie eine Riesenkrake an allem festsaugt, das in seine Nähe kommt. Ob das alles nicht auch mit weniger Aufwand machbar wäre und mit weniger desaströsen Folgen für diejenigen, die in Neapel arbeitslos sind, in Thessaloniki ihre Miete nicht bezahlen können und in Porto auf ein Jobangebot aus Luanda warten.
Die »Testimonials« der »engagierten Europäer« artikulieren ein Lebensgefühl, das so dünn ist wie Zigarettenpapier und so hohl wie eine leere Red-Bull-Dose. Der Volksmusiker Florian Silbereisen zum Beispiel glaubt fest an Europa. »Gerade jetzt. Denn das Ziel ist das Richtige. Wir müssen nur schauen, wie wir’s richtig anstellen, es zu erreichen.« Die TV -Moderatorin Katrin Bauerfeind kommt gerade von einem »Spontanausflug« nach Amsterdam zurück, wo sie »ein paar sehr gute Abende gehabt« hat; jetzt will sie weiter nach Paris. »Einfach so, weil ich’s kann.« Ein Mann namens Klaus will Europa, »weil wir alle im selben Boot sitzen, nur hat das mancher noch nicht bemerkt!« Ralf will Europa, »damit endlich zusammenwächst, was zusammengehört«. Michael will Europa, denn »Europa bedeutet, gespannt aufeinander zu sein«.
Angesichts solcher Bekenntnisse ist man geradezu dankbar, wenn Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimaforschung und wissenschaftlicher Chefberater der Bundesregierung in Fragen des Klimawandels und der internationalen Klimapolitik, seine Entscheidung für Europa mit einem Projekt begründet, das er zu seiner Mission erklärt hat: »Europa verringert den Ausstoß von CO 2 so entschieden wie sonst kein Kontinent auf der Welt.«
Die aufwendige Kampagne »Ich will Europa« wurde von ihren Initiatoren Ende Februar 2013 für beendet erklärt. Mit Fanfarenklängen, wie sie östlich der Elbe bis 1989 üblich waren, wenn eine Rekordernte vorzeitig eingebracht worden war. »Mehr als 850 Personen« hätten ihr »persönliches Bekenntnis zu Europa« abgegeben. Auch
Weitere Kostenlose Bücher