Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)
Nationen, da ist das, was wir gegenwärtig an Demonstrationen gegen Frau Merkel haben, das ist ein laues Lüftchen. Und das ist etwas, das wir niemals akzeptieren dürfen, denn dann würden Sie letzten Endes die Politik von Adenauer, de Gasperi und Schuman in den 50er-Jahren ad absurdum führen. Wir würden im Grunde genommen dahin zurückkehren, wo wir vor dem Zweiten Weltkrieg gestanden haben … (Beifall im Publikum) Da soll man mal nachdenken, was damals an Hass, an Nationalismus und damit auch an Folgen für Millionen von Menschen entstanden sind … Und ich möchte nicht, dass durch solche unausgegorenen Vorstellungen von Ihnen letzten Endes dann dieser Prozess abgewickelt oder geschädigt wird. Die politischen Folgen haben wir alle zu tragen …«
Ich hörte fassungslos zu und überlegte, was Stoiber mit dem Satz »Wir würden im Grunde genommen dahin zurückkehren, wo wir vor dem Zweiten Weltkrieg gestanden haben …« gemeint haben könnte.
Würden die Deutschen versuchen, sich Elsass und Lothringen wieder zu holen? Dazu Böhmen und Mähren und das Hultschiner Ländchen? Würden im Gegenzug die Franzosen die Rheinlande wieder besetzen? Müssten die Russen Königsberg räumen, die Polen schon wieder ihre Kavallerie mobilisieren? Würde Europa auseinanderfallen wie ein Mürbeteigplätzchen, das von einem Straßenfest übrig geblieben ist?
Dass »Europa« den Frieden garantiert, ist das finale Argument, das die »engagierten Europäer« aus der Rumpelkammer der Geschichte holen, wenn ihnen alle anderen ausgegangen sind. Dabei sind zumindest die Anfänge dieses »Europas« nicht der Garant des Friedens, sondern das Ergebnis einer Friedensregelung, die den Europäern, allen voran den Deutschen, von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs aufgezwungen worden ist. Und wenn man genau hinsieht, ist dieses Europa aus dem Ruder gelaufen. Das Europa von heute ist nicht einmal in der Lage, regionale Konflikte wie in Nord-Irland oder dem Baskenland zu lösen, vom Bürgerkrieg in Jugoslawien, dem Europa lange hilf- und ratlos zusah, nicht zu reden.
Aus Angst vor Terroranschlägen schafft es Europa nicht einmal, die Hisbollah auf die Liste der Terrororganisationen zu setzen, obwohl die längst in Europa tätig ist, zuletzt in Bulgarien. Und dieses Europa soll uns davor bewahren, dahin zurückzukehren, wo wir vor dem Zweiten Weltkrieg gestanden haben?
Die »europäische Idee«, was immer das konkret sein könnte, ist dabei, von ihren »Machern« entleibt zu werden, bevor sie überhaupt ordentlich definiert worden ist. Nicht von den Europaskeptikern und Europakritikern, sondern von den »engagierten Europäern«, deren Engagement sich darin erschöpft, dümmliche Testimonials abzugeben, wie es sich anfühlt, ein Europäer zu sein. Alle anderen, also die normalen Bürger vor allem in den krisengeplagten Staaten, die ein Testimonial von einem Testament nicht unterscheiden können, haben die »europäische Integration« so lange hingenommen oder mitgemacht, wie Wohlstandsmehrung mit immer mehr Krediten auf Pump finanziert wurde. Und nun hören wir, dass nationale Egoismen und Eigenheiten zurückgestellt werden müssen, dass wir nicht weniger, sondern mehr Europa brauchen. Das ist, als würde ein Arzt einem Patienten noch mehr von der Droge verschreiben, die ihn krank gemacht hat. Das Ergebnis ist absehbar. Sobald der Patient begriffen hat, wie es um ihn steht, wird er nicht nur die Einnahme der Medizin verweigern, er wird auch anfangen, den Arzt zu hassen. Und er wird sich fragen: Wem nützt das Ganze? Mir? Oder doch nur den Politikern, die sich mit großen goldenen Lettern in die Geschichte einschreiben wollen; Bürokraten, die einen Selbstbedienungsladen betreiben; Bankern, die auch dann Millionen-Boni kassieren, wenn sie Milliarden verzockt haben; Großunternehmen, die sich teure Lobbyisten leisten können, um Unsinn wie die Energiesparlampe durchzusetzen? Und nicht zu vergessen: die vielen Subventionsempfänger und die Claqueure, die für ihre Europabegeisterung bezahlt werden.
Müsste nicht ein Politprofi wie der ehemalige bayerische Ministerpräsident und knapp gescheiterte Kanzlerkandidat es besser wissen oder wenigstens eine offene Debatte zulassen, statt die ganz große Keule herauszuholen, wenn mal über Europapolitik ohne Scheuklappen geredet werden soll?
Stoiber, Sitzenmachen! Und dann ab nach Döbeln!
7. Omnipotente Phantasien impotenter Bürokraten
Eine Krise ist wie eine Münze, sie hat immer zwei
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