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Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Titel: Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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»Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen« gibt – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine EU -Einrichtung, die mit EU -Mitteln finanziert wird –, die nun, zusätzlich zu allen anderen ihr übertragenen Aufgaben, einen »proaktiven Ansatz« in der »Antizipierung und Bewältigung des industriellen Wandels« entwickeln soll.
    Wir treffen hier auf ein Phänomen, das die Angehörigen der gebildeten Stände als »Pleonasmus« beziehungsweise »Tautologie« bezeichnen, während der gesunde Menschenverstand von einem »weißen Schimmel« spricht, der durch die »finstere Nacht« reitet. Auf die Idee, einen »proaktiven Ansatz« zur »Antizipierung« zu entwickeln, kann nur jemand kommen, der sich sonst damit beschäftigt, Prognosen für die Ereignisse von gestern abzugeben.
    Drei Jahre später, 2004, veröffentlichte die »Generaldirektion Beschäftigung« der EU -Kommission ihr » ABC of CSR Instruments«, ein Online-Handbuch über den Einsatz von CSR -Instrumenten in drei Bereichen. Erstens: Socially responsible management. Zweitens: Socially responsible consumption. Drittens: Socially responsible investment. Auch dieses Papier wurde, wie eine Lego-Burg, aus vorgefertigten Teilen zusammengesetzt. Bei der Lektüre des » ABC of CSR Instruments« habe ich mich immer wieder gefragt: Wo lernt man, so zu schreiben? Gibt es an irgendeiner Hochschule einen Studiengang für angewandte Geschwätzigkeit? Ist es den Leuten, die solche Papiere verfassen, nicht peinlich, lauter Nullsätze aneinanderzureihen und dabei so zu tun, als hätten sie ein Update für die Zehn Gebote erarbeitet? Käme ein Förster auf die Idee, einen Baum zu fällen, um aus dem Holz einen Zahnstocher zu produzieren, müsste er sich die Frage gefallen lassen, ob er noch zurechnungsfähig ist. Aber eine Wortlawine loszutreten, von der am Ende ein kleiner Schneeball übrig bleibt, nämlich die Erkenntnis, dass »Eigentum verpflichtet«, ist ein »Joint Venture«, in das Hunderte von Experten ihr Fachwissen einbringen. Der praktische Nutzen ihrer Mühen kommt in Formeln zum Ausdruck, die als »banal« zu bezeichnen schon eine maßlose Übertreibung wäre: » CSR is an ongoing learning process for companies and stakeholders« ( CSR ist ein fortwährender Lernprozess für Unternehmen und Beteiligte). Oder: »The development of tools and practices is work in progress« (Die Entwicklung von Werkzeugen und Methoden ist ein dauernder Lernprozess). Oder: »The commitment of management in driving CSR forward is essential« (Die Verpflichtung des Managements, CSR weiterzuentwickeln, ist wesentlich).
    Da gerät man schnell in die Versuchung, den Copyrightholdern an solchen Sprüchen aus dem ABC der Nichtigkeiten zuzurufen: »Vielen Dank! So genau wollten wir es gar nicht wissen! Geht es auch etwas allgemeiner?« ( http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sustainable-business/corporate-social-responsibility/index_de.htm )
    Im Oktober 2011 legte die Europäische Kommission ein weiteres Positionspapier zum Thema »Nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Unternehmertum« vor, in dem die »Corporate Social Responsibility« neu definiert wurde – als »ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren«. Außerdem gab die Kommission einen »Aktionsplan für den Zeitraum 2011 bis 2014« bekannt, in dem die EU -Länder aufgefordert wurden, »bis Mitte 2012 eigene Pläne zur CSR -Förderung zu erstellen oder zu aktualisieren«; die Kommission versprach ihrerseits, »Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Bereich CSR weiter finanziell (zu) unterstützen und Möglichkeiten zur Finanzierung weiterer Forschungsaktivitäten aus(zu)loten«. ( http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0681:FIN:DE:PDF )
    Wer sich der Mühe unterzieht, das ganze Positionspapier zu lesen, der findet darin einiges, das ihm bis dato unbekannt war, dazu auch etliche gewagte Versprechen. Haben Sie gewusst, dass »die Zahl der Organisationen, die sich im Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung ( EMAS ) registrieren ließen, von 3300 im Jahr 2006 auf 4600 im Jahr 2011 gestiegen« ist? Ich nicht. Ich habe nicht einmal gewusst, dass es ein Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung namens EMAS gibt. Offenbar ein

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