Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)
weiterer Planet auf einer subventionierten Umlaufbahn rund um die Brüsseler EU -Sonne.
Nicht weniger überraschend ist die Ankündigung, die Kommission werde »ihre Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten, Partnerländern und maßgeblichen internationalen Foren« ausbauen, »damit künftig weltweit ausgewogenere Bedingungen herrschen«.
Weltweit! Es sollen also nicht nur die »Bedingungen« für ein »nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Unternehmertum« in Europa homogenisiert, sie sollen auch langfristig global durchgesetzt werden. In Anbetracht der Tatsache, dass die in der EU organisierten 500 Millionen Europäer gerade einmal sieben Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, kann das nur ein von Anmaßung und Größenwahn geprägtes Vorhaben sein. Oder eine Arbeitsplatzgarantie für alle Zeiten. Denn es dürfte eine Ewigkeit dauern, bis die EU -Normen für ein »nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Unternehmertum« auch im letzten Winkel von Rajasthan und Uttar Pradesh zur Anwendung kommen.
Man könnte über solche Phantastereien gelassen hinwegsehen, wenn sie nicht zu einer Zeit ausposaunt würden, da es in Europa an allen Ecken krächzt und kracht. Nur in Brüssel ist die Welt noch in Ordnung, da geht alles seinen gewohnten Gang. Die Abgeordneten bekommen ihre Diäten, die Kommissare lassen Strategiepapiere schreiben, darunter eine »Klima Roadmap 2050«, in der eine »Treibhausgasreduktion der Industrienationen von 80–95 Prozent bis zum Jahre 2050« festgeschrieben wird und auch, »wie diese Treibhausgasreduktion machbar ist, ohne eine Dämpfung des wirtschaftlichen Wachstums nach sich zu ziehen«.
Für diese Art von Träumereien an offenen Kaminen gibt es im Polnischen ein schönes Sprichwort: » Przelewa ć z pustego w pró ż ne «. Wörtlich übersetzt: Etwas nicht Vorhandenes aus einem leeren Gefäß in ein anderes leeres Gefäß umgießen. Sinngemäß: Dummes Zeug reden, ohne sich dafür zu schämen.
Aber vielleicht ist auch das nur eine Frage der Wahrnehmung, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.
8. Das Nichts läuft auf vollen Touren
Man kann den 28 EU -Kommissaren und ihren zahllosen Mitarbeitern, den 766 Abgeordneten und deren Zuarbeitern vieles vorwerfen, nur eines nicht: Sie sind nicht faul, sondern sie sind extrem umtriebig. Der Präsident des Parlaments, Martin Schulz, gibt jeden Tag ein halbes Dutzend Interviews, selten weniger, öfter mehr; der Präsident der Kommission José Manuel Barroso reist dienstlich um die Welt, während der Ratspräsident Herman Van Rompuy daheim die Stellung hält. »Die Aufgaben des Präsidenten des Europäischen Rates« werden im Artikel 15 Absatz 6 des » Vertrages über die Europäische Union « (60 Seiten) – nicht zu verwechseln mit dem »Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union« (418 Seiten) – folgendermaßen beschrieben:
»Er führt den Vorsitz bei den Arbeiten des Europäischen Rates und gibt ihnen Impulse …, wirkt darauf hin, dass Zusammenhalt und Konsens im Europäischen Rat gefördert werden, legt dem Europäischen Parlament im Anschluss an jede Tagung des Europäischen Rates einen Bericht vor …« – wobei ihm 41 Mitarbeiter zur Seite stehen: Berater und Assistenten, Pressesprecher und Redenschreiber, Sekretäre und Sekretärinnen; allein drei Angehörige seines Kabinetts sind für »Horizontal Questions« zuständig, was immer das bedeuten mag.
Was der Präsident des Europäischen Rates – nicht zu verwechseln mit dem Europarat und dem Rat der Europäischen Union – sonst noch so macht, kann man auf seiner Homepage einsehen. Er hält »wichtige Reden« und nimmt an »Gipfeltreffen mit Drittländern« teil, wo er ebenfalls Reden hält, die aber nicht als »wichtig« klassifiziert werden. Zum Beispiel am 26. und 27. Januar 2013 in Santiago de Chile an einem Gipfeltreffen der EU mit der »Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten« ( CELAC ). Da sagte er unter anderem, die Euro-Zone habe ihre Probleme hinter sich gelassen und sei viel besser imstande, mit den »Schockphänomenen fertig zu werden, die wir während der Krise erlebt haben«. Wörtlich: »2013, 2014 will be a better time.« Ein starkes Europa liege im Interesse der »Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten« und der Weltwirtschaft. »So, if there are problems, we can solve the problems. But the global picture is an overwhelming positive picture.« (Wenn es also Probleme geben sollte, können wir diese
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