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Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Titel: Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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Deutschen. Für die Zahl unterm Strich sind weitere Posten relevant, zum Beispiel Ansprüche aus der Rentenversicherung. Und so hängt das, was am Ende rauskommt, davon ab, was am Anfang eingegeben wird.
    Das Gleiche gilt für die vielen Überlegungen, ob eine Rückkehr zur Deutschen Mark machbar wäre und was in einem solchen Fall passieren würde. »Aufwendig, aber möglich«, sagen die einen. Unmöglich, ein ökonomischer Super- GAU , der »einem riesigen Schuldenerlass aller anderen Euro-Länder auf deutsche Kosten« gleichkäme, meinen die anderen. Was gilt nun? Ich weiß es nicht. Mich erinnert die Situation jedenfalls an den Witz, in dem ein Mann seinen besten Freund fragt, wie denn dessen Frau im Bett sei. Der überlegt kurz und antwortet: »Die einen sagen so, die anderen so.«
    Vergessen wir also für einen Moment, warum die EU gegründet und unter welchen Umständen der Euro eingeführt worden ist, ob es sich um eine »deutsche Verschwörung mit dem Ziel der Machtübernahme in Europa« gehandelt habe, was Margaret Thatcher damals dachte, aber nicht aussprach, oder ob die Aufgabe der DM der Preis war, den die Deutschen für die Zustimmung der Franzosen und der Briten zur Wiedervereinigung zahlen mussten. Die einen sagen so, die anderen so.
    Schauen wir uns an, was die EU praktisch leistet, von den bekannten Beispielen wie der »Gurkenrichtlinie« und der Einführung der Energiesparlampe einmal abgesehen. Einfacher gefragt: Was tun die hauptamtlichen Eurokraten tagaus, tagein?
    Es gibt 28 EU -Kommissare, aus jedem Land der Union einen. Am 1. Juli 2013 ist der letzte dazukommen, der Vertreter Kroatiens, Neven Mimica, für den man den »Verbraucherschutz« von der »Gesundheit« abgekoppelt hat. Die Kommission ist so etwas wie die Exekutive der EU , eine Regierung mit gesetzgeberischen Kompetenzen. Normalerweise wird eine Regierung so gebildet, dass die Kabinettsposten (Inneres, Justiz, Finanzen, Wirtschaft, Soziales usw.) mit mehr oder weniger qualifizierten Kandidaten besetzt werden. Bei der EU ist es umgekehrt, da gibt es einen Kandidaten und für den muss ein Amt kreiert werden. So kommt es zu Ressortbildungen nach dem Prinzip der Zellteilung. Ein Kommissar ist für den Handel, ein anderer für den Wettbewerb zuständig. Verwandte Bereiche, sollte man meinen, die man praktischerweise unter einem Dach zusammenfassen sollte. Das wäre zwar sinnvoll, würde aber einen der beiden seinen Job kosten. Es gibt einen Kommissar für Umwelt und eine Kommissarin für Klimapolitik. Einen Kommissar für »allgemeine Entwicklung« und einen, der sich auf Landwirtschaft und »ländliche Entwicklung« spezialisiert hat.
    Einen für »Industrie und Unternehmertum« und einen für »Wirtschaft und Währung«. Es ist also wie bei der »Kinderpost«: So viele Kinder teilnehmen, so viele »Posten« muss es geben, sonst gibt es Tränen und keiner will am Ende mehr mitspielen.
    Deshalb gibt es auch noch Spezialgebiete, die so speziell sind, dass man sie keinem anderen Ressort zuschlagen kann. Zum Beispiel das »Kommissariat für maritime Angelegenheiten und Fischerei«. Oder das »Kommissariat für Digitale Agenda«, das die Holländerin Neelie Kroes verwaltet. Sie ist meine Lieblingskommissarin. »Digitale Agenda«, das hört sich nach einer Mischung aus Bill Gates und Gerhard Schröder an, mit einem Schuss Oude Genever dazu.
    Das Kabinett der Kommissarin für »Digitale Agenda« umfasst 22 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Neelie Kroes ist auf sieben sozialen Netzwerken präsent, um die Neugier der vielen Menschen zu befriedigen, die sich jeden Morgen, gleich nach dem Aufstehen, fragen: Was macht Neelie Kroes heute? Man kann es auch auf ihren Blogeinträgen nachlesen.
    Am 9. April 2013 schrieb sie einen Nachruf auf Maggie Thatcher, die sie in den 70er-Jahren kennengelernt hatte. Am 15. März kündigte sie an, für mehr Wettbewerb auf dem europäischen Telekommunikationsmarkt zu sorgen, zum Vorteil der Anbieter und der Verbraucher. Am 8. März gab sie eine Erklärung zum Internationalen Frauentag ab. Am 5. März berichtete sie von einem Besuch auf der CEBIT in Hannover. »Ich habe heute einen interessanten Morgen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem polnischen Premierminister Donald Tusk verbracht.« Am selben Tag traf sie eine Gruppe junger digitaler Unternehmer, um von ihren Erfahrungen zu lernen. »Wir müssen auch außerhalb der Brüsseler Blase miteinander kommunizieren, wir müssen mit wirklichen Menschen reden und

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