Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Titel: Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
Vom Netzwerk:
ihnen zuhören, Menschen, die in richtigen Jobs an der digitalen Front arbeiten.«
    Wer immer diese Sätze im Namen der Kommissarin geschrieben hat, er muss eine sensationelle Entdeckung gemacht haben. Es gibt ein Leben außerhalb der Brüsseler Blase! Mit richtigen Menschen! Irgendwo muss also eine Schnittstelle zwischen der Brüsseler Blase und dem wirklichen Leben existieren. So wie ein Raumschiff ab und zu zur Bodenstation zurück muss, damit die Mannschaft mal an die Luft kommt, die Trockenklos ausgetauscht und die Vorräte erneuert werden können. Unsere Versuche, diese Schnittstelle zu finden, als wir für die TV -Serie »Entweder Broder« in Europa unterwegs waren, blieben erfolglos, aber wir hatten viel Spaß bei der Suche, wie Harrison Ford als Indiana Jones in Steven Spielbergs »Jäger des verlorenen Schatzes«.
    Sollten Sie infolge eines Vulkanausbruchs auf Island auf irgendeinem Flughafen stranden, dann nutzen Sie die Wartezeit, um auf den Seiten der EU -Kommissare zu surfen. Sie werden Welten finden, von deren Existenz Sie nichts geahnt haben, nichts ahnen konnten. Es ist, als würden Sie ein großes Theater durch den Hintereingang betreten und plötzlich sehen, wie es in den Kulissen zugeht. Eine solche Erfahrung hat noch jeden Theatergänger ernüchtert, der den »Raub der Sabinerinnen« für eine Komödie gehalten hat. Was für die Zuschauer eine Komödie ist, ist für die Schauspieler harte Arbeit.
    Die Kommission mit ihren 28 Kommissaren ist nur die Spitze einer Pyramide, an der seit Jahrzehnten gebaut wird, und zwar von oben nach unten, so dass die bebaute Grundfläche immer größer wird. Unterhalb der Kommission wirken die Generaldirektionen, wobei die Ressorts der Kommissare und der Generaldirektoren nicht deckungsgleich sind. Es gibt 20 Generaldirektionen im Bereich »Politikfelder«, jeweils fünf in den Bereichen »Außenbeziehungen« und »Allgemeine Dienste« und dreizehn im Bereich »Interne Dienste«. Macht zusammen 43 Generaldirektionen. Sagt Wikipedia und verweist dabei auf eine Homepage der Kommission, auf der 33 Generaldirektionen und 11 Dienststellen gelistet werden, was zusammen 44 Abteilungen ergibt. Zu sagen, das System sei unübersichtlich, wäre eine arge Untertreibung. Die Unübersichtlichkeit ist gewollt, sie hat ihre Vorteile. Denn während jedes EU -Land unabhängig von seiner Größe nur einen Kommissar in die Kommission entsenden darf, kommen gleich acht Generaldirektoren aus England, sechs aus Italien, fünf aus Frankreich, je vier aus Deutschland und Spanien, drei aus den Niederlanden und je zwei aus Belgien, Griechenland und Irland.
    Die Generaldirektionen sind Job-Generatoren. Zum Beispiel: In der »Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher« waren bis Sommer 2013 960 Mitarbeiter tätig, 660 in Brüssel, 120 in Luxemburg, 180 in Grange bei Dublin. Sie alle wollen »Europa zu einem gesünderen, sichereren Ort machen, in dem die Verbraucher darauf vertrauen können, dass ihre Interessen geschützt sind«. Zwar sei »eine Gesellschaft ohne Risiken wohl kaum realistisch, doch wir tun alles in unserer Macht stehende, um die Risiken für Verbraucher zu begrenzen«. Das heißt, die 960 Mitarbeiter der »Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher« sind praktisch für alles zuständig, außer für Dioxin in deutschen Bio-Eiern, rumänisches Pferdefleisch in Rindfleisch-Fertigprodukten, Schimmel im Futtermais aus Serbien, Frostschutzmittel in Weinen aus Österreich, Fadenwürmer in Fischstäbchen, Gammelfleisch im Döner, Unkrautvernichtungsmittel im Hühnerfutter, Mäusekot im Mozzarellakäse, Kolibakterien auf Bio-Sprossen – um nur einige der Lebensmittelskandale zu nennen, von denen die Mitarbeiter der »Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher« aus den Medien erfahren haben. Es bleibt eben immer ein Restrisiko.
    Wenn Sie es ganz genau wissen wollen, womit sich die Kommissare, die Generaldirektoren und deren Mitarbeiter beschäftigen, dann gehen Sie auf die Homepage der EU -Kommission. Als Erstes werden Sie darüber informiert, wie Sie »umweltfreundlich einkaufen« können, vorausgesetzt Sie haben die » EU -Leitlinien für die Etikettierung« auswendig gelernt, die es den Verbrauchern ermöglichen sollen, »vertrauensvoll einkaufen zu gehen«. Dabei sollen die »Umweltaussagen nicht nur transparent sein …, sondern auch sachdienlich, zuverlässig, umfassend, vergleichbar und klar«.
    Aber offenbar sind diese Aussagen noch nicht sachdienlich, zuverlässig,

Weitere Kostenlose Bücher