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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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unterhalten. Ich habe gehört, daß du deine Nachforschungen ausgeweitet hast.«
    »Die Sache wird immer chinesischer. Die Ermittlungen ufern aus, ohne von der Stelle zu kommen.«
    Sie lächelte ein wenig, ohne ihn anzuschauen. »Also hältst du mich für das größte Miststück der Welt?«
    » Laogai « , sagte Chan.
    Es war, als hätte Chan auf dem Rummel direkt ins Schwarze getroffen und eine Glocke ausgelöst, mit dem einzigen Unterschied, daß er keinen Gong hörte, sondern einfach Tränen sah. Chan mußte an ein gequältes Kind denken, das sich nach Trost sehnt, während sein Körper sich vor Schmerz krümmt. Ein guter Polizist hätte den Vorteil ausgenützt. Chan wandte den Blick ab und wartete.
    »Entschuldige mich.« Emily konnte die Tränen gerade lange genug zurückhalten, um sich vom Tisch zu erheben und ins Haus zu gehen. Chan hörte, wie eine Tür zuschlug, dann gedämpftes Schluchzen aus dem Gebäude. Sie brauchte fünfzehn Minuten, um sich wieder zu erholen und zurückzukehren. In der Zwischenzeit hatte sie sich umgezogen. Sie trug jetzt einen strengen, schwarzen, hochgeschlossenen Kimono.
    Emily nahm mehr oder minder gefaßt wieder Platz. »Perfektes Timing. Gratuliere.«
    »Du wolltest wissen, was ich weiß. Jetzt weißt du’s. Willst du, daß ich gehe?«
    Ihr Blick ruhte auf dem Opium. »Was für ein zurückhaltender Polizist. Und dabei haben alle gesagt, du seist ein Fanatiker.«
    Chan zündete sich eine Zigarette an. »Ich vergeude ungern Zeit. Du kannst mir bei meinen Ermittlungen helfen, weil du etwas über Clare Coletti weißt. Das merkt sogar ein Tölpel wie ich. Du bist Xians Brückenkopf in Hongkong – also weißt du auch, warum er sich so für den Fall interessiert. Entweder du willst drüber reden, oder du willst es nicht. Ich kann dich zu nichts zwingen. Du gehörst Xian. Er hat dich vor zehn Jahren gekauft.«
    Bis dahin hatte Chan überhaupt nicht gemerkt, wie wütend er war. Er bettelte eine mögliche Komplizin an, ihm Informationen zu überlassen, weil sie reich und mächtig genug war, das Gesetz zu verachten. Es lief alles falsch. Nein, es lief nicht alles falsch, sondern nur chinesisch. Er weigerte sich, sie anzusehen, und starrte hinaus in die Nacht. Unten bewegten sich rote, grüne und weiße Lichter übers Wasser. Er spürte, wie ihre Hand über den Tisch glitt und sich auf die seine legte.
    »Schlaf mit mir.«
    »Nein.«
    »Wollen wir’s unter Wasser versuchen? Wir können in den Pool gehen.«
    Er sah sie überrascht an.
    Sie lächelte. »War nur ein Scherz.« Sie berührte ihre Haare.
    »Fällt es dir schwerer, mich zu hassen, als du gedacht hattest?«
    »Ja«, mußte Chan zugeben. »Aber ich werde nicht mit dir schlafen.«
    Sie zog ihre Hand zurück. »Wenn du Antworten auf deine Fragen haben willst, mußt du ein anderes Vergnügen mit mir teilen.
    Du hast recht, du kannst mich nicht zwingen, dir etwas zu sagen. Nur Schuldgefühle können mich dazu bringen. Aber ohne Opium habe ich wahrscheinlich nicht den Mumm dazu – wir können nicht alle selbstgerechte Helden sein. Warum sollte ich allein rauchen? Wenn du deinen Fall lösen und die Welt retten möchtest, ist eine kleine Pfeife doch ein geringer Preis.«
    »Nein.«
    Sie legte Finger und Daumen um sein Kinn und drehte seinen Kopf so, daß er sie ansehen mußte. »Dieses Nein war längst nicht so überzeugend wie das erste. Ich glaube, du liebst das Risiko. Wahrscheinlich hast du nur unter Wasser mit mir geschlafen, weil du dich genausosehr für den Tod interessierst wie ich. Opium kann dir den Tod zeigen. Das ist ein Privileg, das der Mohn Menschen wie uns bietet. Der Körper ist betäubt, du trittst durch eine Tür, und da ist sie – die Ewigkeit in all ihrem Glanz. Wer weiß, was ein Mann wie du dort finden könnte?«
    Er sah ihr dabei zu, wie sie mit geschickten Fingern ein winziges Häufchen Opium zu einem Ball rollte, den sie dann auf einer Nadelspitze über der Petroleumlampe erhitzte. Ihre Bewegungen waren so schnell, daß er ihnen nicht folgen konnte. Schon nach weniger als einer Sekunde hielt sie die Pfeife schräg über die Petroleumlampe. Sie sog daran, während sie die blubbernde schwarze Kugel mit der Nadel in der Schale der Pfeife festhielt und immer wieder anstach, so daß Luft entweichen konnte. Die winzige schwarze Kugel war innerhalb weniger Sekunden verschwunden.
    »Wenn du’s nicht probierst, wirst du nie erfahren, wie gut es ist – so lautet die Warnung doch im allgemeinen, nicht wahr? Aber für

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