Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
Vom Netzwerk:
Chance fürs Geschäft. In versteckten Fabriken in Hongkong, Thailand, Südvietnam und Taiwan – praktisch überall, nur nicht im damals puritanischen kommunistischen China – wurde Opium in Trommeln mit heißem Wasser gegeben und mit Kalkdünger und Ammoniak gelöst: Morphium. Wenn man das Morphium bei neunundzwanzig Grad zusammen mit essigsaurem Anhydrin sechs Stunden lang erhitzte, bekam man braunes Heroin, auch bekannt als »brauner Zucker« oder »Nummer 3«. Die Asiaten rauchten oder injizierten sich den Stoff in dieser Form und waren zufrieden, doch die Leute aus dem Westen brauchten etwas Stärkeres. Also fügte man zu Nummer 3 Alkohol, Äther und Salzsäure hinzu. Manchmal kam es zu Explosionen, die den Triadenkoch und den größten Teil seiner Fabrik hinwegfegten, aber wenn alles klappte, kam am Ende »Nummer 4« oder reines weißes Heroin heraus: Das amerikanische Militär hatte seine Droge gefunden.
    Etwa hunderttausend Gis nahmen ihre Sucht mit nach Hause, wo sie sich ausbreitete. Die Chiu Chow paßten sich schnell an den riesigen neuen Markt auf der anderen Seite der Welt an. Bei Gewinnmargen von über tausend Prozent machten sie sich kaum noch die Mühe, einfaches Opium zu schmuggeln. Folglich benutzte es auch niemand mehr.
    Nun, fast niemand mehr. Emilys geheimes Päckchen stellte ihn vor ein Rätsel. Eine Falle? Eine Prüfung? Ein Geschenk? Warum Opium?
     
    Es war fast schon Mitternacht, als Chans Taxi in Emilys Auffahrt einbog. Er hatte erwartet, daß ein Diener die Tür öffnen würde, und war deshalb erstaunt, als die Hausherrin selbst ihn empfing. Sie hielt das Oberteil eines grünen Seidenkimono mit einer Hand zusammen.
    »Du bist spät dran.«
    »Ich weiß.« Chan hielt ihr eine billige schwarze Aktentasche aus Fiberglas hin. »Ich habe dir dein Geschenk wieder mitgebracht.«
    Sie ließ ihn herein und schloß die Tür hinter ihm. Er sah ihr dabei zu, wie sie alle drei Riegel vorschob und die Alarmanlage einschaltete. Ein winziges rotes Licht begann zu blinken.
    »Hier gibt’s viele Einbrüche, was?«
    »Es geht eher um Kidnapper, das weißt du genau.«
    Sie führte ihn durch das Haus zu der Veranda an der Rückseite. Auf einem langen Marmortisch hatte sie eine Opiumpfeife und eine Petroleumlampe vorbereitet. Er setzte sich an den Tisch, öffnete die schwarze Aktentasche, holte das Plastiksäckchen mit dem klebrigen schwarzen Inhalt heraus, legte es vor sie hin und verschloß die Tasche wieder.
    Dann sagte er: »Ich hab’ gedacht, du stellst mir eine Falle.«
    »Das hatte ich auch vor. Ich wollte eigentlich einem Beamten der ICAC Bescheid sagen, der nach dem Juni einen besseren Job möchte, aber dann habe ich es mir anders überlegt. Ist das nicht nett von mir?«
    »Xian hat dir gesagt, daß du mich unter Kontrolle bringen sollst?«
    »So etwas Ähnliches.«
    »Und wieso hast du es dir anders überlegt?«
    Sie berührte seine Wange. »Ach, du bist so ein hübscher Junge. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, daß du Schwierigkeiten bekommst.« Sie sagte das, ohne zu lächeln, fast schon traurig. »Ich habe ihm gesagt, daß es nicht funktionieren würde. Du bist der Märtyrertyp: lieber sterben als sich auf einen Kompromiß einlassen.«
    Chan machte ein finsteres Gesicht. »Nur der Neugierde halber: Warum Opium?«
    Emily sah hinaus auf den Lamma Channel. »Das ist eine Familientradition. Mein Vater hat Opium geraucht, genau wie mein Großvater. Ich habe erst von Milton Cuthbert erfahren, daß mein Vater sich jeden Freitagabend eine Pfeife genehmigt. Als ich meinen Vater darauf angesprochen habe, hat er mir erklärt, daß man sich von Zeit zu Zeit selbst daran erinnern muß, Chinese zu sein, wenn man für die Briten arbeitet. Für ihn war das Opiumrauchen eine Form der Kontaktaufnahme mit den Vorfahren. Für mich bedeutet es eine Möglichkeit, Streß abzubauen.«
    »Eigentlich sollte ich dich verhaften.«
    »Und warum machst du’s nicht?«
    »Weil du es deinem Freund Xian erzählen würdest. Und der würde drohen, eine Atombombe im Central District hochgehen zu lassen.«
    Emily zuckte zusammen. »Darüber weiß ich nichts. Ich habe das Gerücht über das atomwaffenfähige Uran erst gestern von einem hohen Tier in der Regierung gehört. Das wollte ich dir sagen.«
    »Du hast mich hier raufgebeten, bloß weil du mir das sagen wolltest?«
    Sie öffnete das Päckchen, hob es an die Nase, atmete ein und legte es wieder auf den Tisch.
    »Du hast dich mittlerweile wahrscheinlich mit Milton

Weitere Kostenlose Bücher