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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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»Wir versuchen gerade, den Mord an ihr aufzuklären.«
    Chan sah ihn einen Moment lang an und wandte dann den Blick ab. Für die Jungen, die oft so starre Ansichten über das Leben hatten, war es gar nicht so leicht zu begreifen, daß Opfer und Täter häufig ein und dieselbe Person waren. Es kam nur selten vor, daß man nicht früher oder später Eigenschaften der anderen Seite annahm. Doch wenn das Mordopfer sich in den potentiellen Mörder verwandelte, gab es Probleme. Und natürlich hatte Chan keine Beweise. Welcher Polizist, der noch alle fünf Sinne beisammen hatte, würde eine unscharfe Fotografie gegen zahnmedizinische Unterlagen ins Feld führen? Doch Chan wußte, daß er recht hatte.
    »Klappern Sie alle Schönheitschirurgen in Hongkong ab«, sagte Chan. »Fangen Sie bei den besten und teuersten an, und arbeiten Sie sich nach unten vor.«
    Noch während er sprach, klingelte das Telefon wieder. »Drei Millionen, dann läuft die Sache«, sagte Kan nach einem langen Schnauben.
    »Zwei«, sagte Chan.
    »Zweieinhalb.«
    »Zwei.«
    »Fick dich ins Knie.« An dem unterwürfigen Tonfall Kans merkte Chan, daß der Handel galt.
     
    Während er sich zu Hause ein spätes Mittagessen aus gebratenen Nudeln zubereitete, sah er zu, wie das Faxgerät eine Botschaft ausspuckte:
     
    Wow! Das war aber eine schnelle Antwort. Freut mich wirklich, denn in meinem Alter kann man es sich nicht mehr leisten, hingehalten zu werden. Hast Du ein paar alte Polizistengeschichten auf Lager, die ich noch nicht kenne? Das ist so ziemlich das einzige, was ich an der New Yorker Polizei vermisse, die Sprüche in der Kantine. Du kannst auch welche von mir haben. Jai gin.
     
    Chan dachte einen Augenblick nach, schrieb seine Antwort auf und sah dem Gerät zu, wie es sie übermittelte. Wenn Moiras Tochter noch am Leben war, wer war dann tot?
    Als er wieder an seinem Schreibtisch saß, klopfte er eine Benson aus der Packung und starrte das unscharfe eurasische Gesicht auf dem Foto an. Er steckte die Zigarette in den Mund und wählte gleichzeitig Emilys Nummer. Er war überrascht, als die Milliardärin selbst an den Apparat ging.
    Chan zündete sich seine Benson an. »Hallo.«
    »Wer ist dran?«
    »Dein Tauchfreund.«
    Er lauschte auf ihren Atem.
    »Ich habe schon auf deinen Anruf gewartet.«
    »Ich weiß.«
    »Komm heute abend vorbei. Ich bin zum Essen eingeladen, es wird später. Richte dich auf halb zwölf ein.«
    »Soll ich dir dein Geschenk mitbringen?«
    Langes Schweigen. »Ja, warum nicht?«
     
    Am Abend wartete er, bis fast alle aus dem Revier verschwunden waren. Dann ging er in die Teeküche und bückte sich, um das Plastiksäckchen, das er nach der Fahrt auf Emilys Boot in seiner Ausgabe von Die Reisen des Marco Polo versteckt gefunden hatte, unter der Spüle hervorzuholen.

DREIUNDVIERZIG
    Opium: Chan wußte alles darüber. Die Geschichte beginnt auf einem Mohnfeld in den Shan-Staaten an der Grenze zwischen Laos, China und Birma. Angehörige des Hmong-Stammes sammeln den Saft der Blüten zuerst in kleinen Holzbehältern und bündeln ihn dann zu winzigen Bambuspäckchen: rohes Opium. Chinesische Händler des Chiu-Chow-Clan tauschen Salz, Eisenstangen und Silbermünzen für die Ernte, die im Februar eines jeden Jahres beginnt.
    Als siebzehnjähriger Nachwuchspolizist hatte Chan an einigen Aktionen gegen die letzten Opiumdiwane alten Stils teilgenommen. Er erinnerte sich noch an kleine Räume mit Stockbetten, an Bambuspfeifen mit kleinen Schalen, an Petroleumlampen und an den süßen, heuigen Geruch. Ausgemergelte Prostituierte verbanden die Laster miteinander, verkauften auf dem einen Markt und kauften auf dem anderen. Abgesehen von den Huren waren die Kunden hauptsächlich Männer mittleren Alters. Chan erinnerte sich auch noch an seine erste Leiche. Alle anderen in dem Diwan waren so berauscht gewesen, daß sie nicht mitbekommen hatten, wie der alte Mann gestorben war. Dem verzückten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er es selbst nicht gemerkt.
    Opium war als Rauschmittel für die Amerikaner zu subtil. Als sich die Zahl der in Vietnam stationierten GIs auf mehrere Hunderttausend erhöhte, suchten die Chiu Chow nach Möglichkeiten, ihr Produkt zu verfeinern. Ermutigt durch Ho Chi Min, der die Verbreitung der lähmenden Droge unter den Amerikanern als legitime Kriegsmaßnahme ansah, ja, auch ermutigt von der CIA, die sich an dem Opiumhandel von Laos aus beteiligte, um den Krieg mitzufinanzieren, sahen die Händler eine einmalige

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