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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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völlig verschlafen und hatte keine Ahnung, wie spät es war.
    »Na, dann ist es ja nicht so schlimm – es ist grade vier Uhr nachmittags hier.«
    »Ah.«
    »Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt. Man hat mich gebeten, Ihnen das Ergebnis unserer forensischen Untersuchungen mitzuteilen. Ich habe versucht, Sie im Polizeirevier in Mongkok zu erreichen, aber Sie waren bereits weg, Sir. Sie haben gesagt, es würde Ihnen nichts ausmachen, wenn ich Sie zu Hause anrufe. Ich schicke Ihnen den ausführlichen Bericht natürlich noch zu, aber er ist ein bißchen lang. Ich dachte mir, vielleicht wollen Sie die Hauptergebnisse schon mal übers Telefon hören. Soll ich Ihnen die Zusammenfassung vorlesen?« Chan gab ein grunzendes Geräusch von sich. »Ich fürchte, sie ist nicht besonders aufregend.« Spruce referierte die Ergebnisse mit monotoner Stimme: »Die Proben haben sich als wasserabstoßend erwiesen und bestehen hauptsächlich aus natürlichen Harzen, wahrscheinlich von Kiefern, sowie aus unterschiedlichen synthetischen Latexmaterialien. Das Latex wurde vermutlich beigegeben, um einen gewissen Grad an Plastizität zu erreichen. Wir haben außerdem Spuren von Titandioxyd gefunden.«
    »Tut mir leid«, sagte Chan, »ich glaube, ich habe bei ›wasserabstoßend‹ den Faden verloren.«
    »Das Harz sorgt für die Konsistenz, das Latex hält alles in einem Klumpen im Mund zusammen, und das Titandioxyd liefert die Farbe. Ich kenne den Fall ja nicht, aber wahrscheinlich haben sich die Opfer vor ihrem Tod ein Päckchen Kaugummi geteilt.«
    »Kaugummi?« Als Polizist war er an Trivialitäten gewöhnt, aber so etwas zu hören, schmerzte immer noch.
    »Tja, tut mir leid. Natürlich könnte mehr dahinterstecken, von hier aus läßt sich das nicht beurteilen. Wie ist das Wetter bei Ihnen?«
    »Heiß.«
    »Brauchen Sie Unterstützung am Tatort?«
    Aha, deswegen hast du also angerufen. Chan hatte sich schon gefragt, warum Spruce kein Fax geschickt hatte. »Nein.«
    »Nun, es war nur so ein Gedanke.«
    »Ist es kalt bei Ihnen?«
    »Ziemlich. Und es regnet.«
    »Nächstes Mal.«
    Spruce spitzte die Ohren. »Meine Durchwahl steht auf dem Begleitschreiben zu meinem Bericht, Sir.«
    »Danke.«
    Chan drückte auf die Gabel und legte den Hörer neben den Apparat. Dann tastete er sich in der Dunkelheit zum Bett zurück und legte sich hin. Doch plötzlich durchzuckte es ihn wie ein Blitz. KAUGUMMI? Diesmal schaltete er das Licht an und tappte zum Telefon zurück. Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Vermittlung von Scotland Yard Spruce ausfindig gemacht hatte.
    »Sie haben nichts von Geschmacksstoffen erwähnt«, sagte Chan.
    »Das Titan ist für die Farbe, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Und die Harze und das Latex haben keinen Eigengeschmack?«
    »Genau. In meinen Unterlagen steht nichts von Geschmacksstoffen. Allerdings lösen sich die auch als erste auf. Ich kaue Kaugummi, seit ich mit dem Rauchen aufgehört habe. Sie haben nicht allzuviel Erfahrung mit Kaugummi, Sir?«
    »Ich bin noch beim Nikotin.« Chan griff nach einer Packung Benson auf dem Beistelltisch. »Angenommen, es waren nie Geschmacksstoffe drin. Was würde das ergeben?«
    »Kaugummi ohne Geschmack, Sir. Nicht gerade eine verlockende Vorstellung, fürchte ich. Aber das ist alles nur Gewohnheit.«
    »Oder es weist auf einen speziellen Verwendungszweck hin. Sie haben mir sehr geholfen, Spruce. Das nächste Mal werde ich Sie bitten, mir den Bericht persönlich zu bringen, und zwar in der Business Class.«

VIERUNDVIERZIG
    Halb zehn Uhr abends: Chan und Aston warteten auf dem Parkplatz der University of Hong Kong auf Dr. Lam. Nur fünf Minuten zu spät fuhr der schwarze Mercedes des Zahnarztes heran. Lam sprach ein paar Worte mit dem Fahrer und ging dann zusammen mit den beiden Polizisten die Treppe zum strahlentechnischen Labor hoch. Vivian Ip wartete bereits auf sie. Sie deutete auf das Bleiglaskästchen. »Es ist alles vorbereitet«, sagte sie zu Chan.
    Chan deutete auf den kleinen, roten Block am hinteren Ende des Kästchens. »Was ist das?«
    Lam schaute durch seine dicke Brille. »Darf ich?« Er schlüpfte mit den Armen in die ziehharmonikaförmige Vorrichtung und versuchte sich an den Metallinstrumenten, bis er in der Lage war, den Block hochzuheben. Er drückte ihn mit der Pinzette zusammen; die Delle in dem Material blieb bestehen. Lam zog die Hände wieder heraus.
    »Ich weiß es nicht. Wenn ich es nicht in die Hände nehmen kann, kann ich Ihnen keine eindeutige Auskunft

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