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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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langsam vom Pool zum Tisch: » Sherlock Holmes hat Kokain geschnupft « – » Du mußtest es sein, ich habe niemanden, mit dem ich mich unterhalten könnte. «
    Es hatte keinen Sinn, das Innere des Hauses mit der Videokamera aufzunehmen. Drei Beamte hatten bereits festgestellt, daß dort nichts durcheinandergeraten war. Während Chan die Kamera auf die Leiche richtete, die jetzt mit dem Gesicht nach oben im Pool lag, mußte er zugeben, daß seine berufliche Objektivität versagt hatte. Durchs Objektiv sah er eine starke Persönlichkeit, verloren in einer Wolke.

SECHSUNDVIERZIG
    In dem zweitausendfünfhundert Jahre alten Meisterwerk Die Kriegskunst stellt Sun Tzu ein Prinzip über alle anderen: Verschaffe dir Rückendeckung. Wahrscheinlich, so dachte Chan, lebten Beamte in aller Welt nach diesem Motto, egal, ob sie Sun Tzu gelesen hatten oder nicht. Von seinem Schreibtisch in Mongkok aus diktierte er eine Notiz an den Commissioner of Police, den Right Honourable Ronald Tsui J. P., von der eine Kopie an Chief Superintendent John Riley ging.
     
    Akte 128/mgk/MK/STC
    Die verstorbene Emily Ping Lin-kok war mir sowohl privat als auch als Zeugin in dem obengenannten Fall bekannt. Ich habe sie am 11. Mai 1997 gegen Mitternacht (es fand sich kein früherer Zeitpunkt für das Gespräch) in ihrem Haus an der Old Peak Road besucht. Wir saßen zusammen an dem Marmortisch auf ihrer Veranda, gleich beim Swimmingpool. Leider war Madam Ping nicht in der Lage oder nicht willens, mir Informationen zu dem obengenannten Fall zu geben, also verließ ich ihr Haus einige Zeit später wieder. Deshalb besteht die Möglichkeit, daß sich meine eigenen Fingerabdrücke auf dem erwähnten Marmortisch befinden. Chan Siu-kai, Chief Inspector, Mordkommission.
     
    Jonathan Wong erfuhr über die Titelseite der South China Morning Post von Emilys Tod. In dem Bericht wurde gemutmaßt, daß es sich um einen Selbstmord handelte, obwohl die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren. Wong las den ausführlichen Bericht auf den mittleren Seiten – eine schmeichelhafte Zusammenfassung ihres Lebens mit Zeugnissen ihrer Genialität in Finanzdingen (obwohl der Bericht nicht ganz ohne Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten blieb) – und legte dann die Zeitung auf seinen Schreibtisch.
    Arme Emily … das sieht ihr ähnlich: Sie spielt mit härteren Bandagen als die Männer und erwartet dann auch noch, daß man ihr das nachsieht, sie vielleicht sogar noch deswegen liebt. Meine Freundin, das Miststück, ist tot.
    Er erhob sich und ging um seinen Schreibtisch herum, ohne den Blick von dem Zeitungsartikel zu wenden. Er versuchte, so etwas wie Trauer zu empfinden, entdeckte aber nur Hysterie, die sich in einem Grinsen äußerte. Die Kaiserin war tot, genau, wie der alte Mann es vorausgesagt hatte. Wong fragte sich, ob der alte Mann sie umgebracht hatte. Irgendwie erschien ihm das unwahrscheinlich. Er war ein Psychopath, aber das äußerte sich anders.
    Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, sich zu entscheiden. Eigentlich hätte er nach Hause gehen und die Angelegenheit mit seiner wunderschönen Frau besprechen sollen, die er aus der Gosse gerettet hatte und die ihn verachtete.
    Statt dessen nahm er den Telefonhörer in die Hand und wählte eine Nummer, die er sich auf einen Zettel notiert hatte – das machte er nur selten.
    »Ich würde mich gerne mit Ihnen treffen«, sagte er in den Hörer. Nachdem er weniger als zwanzig Sekunden zugehört hatte, legte er wieder auf. Auch schwerwiegende Entscheidungen wurden oft schnell gefällt. Nun, er erwartete nicht, geliebt zu werden – er erwartete auch keine Vergebung.
    Wong stand auf und genoß den Hafenblick, den man nur aus seiner Kanzlei hatte. Er sah einem Boot der Star Ferry Lines dabei zu, wie es nach Kowloon hinüberfuhr, und einer Boeing 747, wie sie von der ins Wasser ragenden Startbahn abhob. Dann drückte er eine der vorprogrammierten Nummern an seinem Telefon. Auf dem Display erschien die Nummer von Rathbone, dem Seniorpartner der Kanzlei.
    »Ich werde mich mit Ihnen unterhalten müssen. Es geht um die Angelegenheit, über die wir bereits gesprochen haben. Sie werden auch die anderen drei bitten müssen zu kommen. Nein, nicht jetzt. Wenn ich es Ihnen sage. Bleiben Sie einfach in Bereitschaft. Und berufen Sie eine Sitzung aller Partner für nächste Woche ein. Tun Sie, was ich Ihnen sage.«
    Dann holte er sein Sakko aus einem Schrank hinter seinem Stuhl, ging um den Schreibtisch herum und schaute noch

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