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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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konnte. Schon jetzt, als sie so zusammen am Tisch saßen, rechnete jeder von ihnen insgeheim nach.
    »Jetzt, wo Emily Ping tot ist«, fuhr Wong fort, »braucht Xian einen Vertreter und einen comprador. Unsere Kanzlei wird diese Aufgabe übernehmen. Wir werden in seinem Namen importieren. Natürlich unter strenger Geheimhaltung.«
    »Darf man fragen, was?« fragte Savile mit einem dümmlichen Lächeln.
    »Massenvernichtungswaffen.«
    Savile wirkte nachdenklich. »Bei der Zusammenkunft aller Partner nächste Woche müssen wir etwas davon erwähnen. Die Sache muß allerdings zuvor ein bißchen poliert werden.«
    »Pah«, sagte Wong. »Das sind Anwälte, oder? Mit anderen Worten Monster, die sich von der Gier leiten lassen. Sie gehen dahin, wo das Geld ist.« Er sah in Saviles Schweinchenaugen. »Genau wie Sie, Cecil.«

SIEBENUNDVIERZIG
    Willst du mich verarschen? Hat der Richter das wirklich gemacht? Bei geraden Zahlen schuldig und bei ungeraden unschuldig? Das klingt mir sehr östlich. Ich hab’ auch ein paar tolle Storys für Dich, die ich gerade mit Schreibmaschine abschreibe. Aber das hier wollte ich Dir gleich zukommen lassen, damit Du weißt, daß ich an Dich denke. Muß schon achtundvierzig Stunden her sein, seit Du das letzte Mal was von mir gehört hast.
    Übrigens, diese raffinierten kleinen chinesischen Schriftzeichen, die Du auf Dein letztes Fax gemalt hast – ich hab’ versucht, sie in einem Chinesisch-Wörterbuch in der Bibliothek nachzuschlagen. Wenn sie das bedeuten, was ich glaube, dann habe ich die gleichen Gefühle.
    M.
     
    Chan machte ein finsteres Gesicht, zerknüllte das Fax zu einem Ball und warf ihn in den Papierkorb. Tja, ich habe diese Gefühle nicht mehr. Du weißt, daß sie am Leben ist. Zahnmedizinische Unterlagen: Ich weiß, daß du ’s gewußt hast.
     
    Als Chan ins Präsidium gerufen wurde, verließ er sein Büro, nahm die U-Bahn bis Admiralty und ging in der Hitze zu Fuß bis zur Arsenal Street. An der Rezeption ließ er sich bei der Mordkommission im dritten Stock anmelden. Dort erklärte ihm ein Beamter, daß Chief Inspector Jack Siu sich mit dem Tod von Emily Ping befasse. Chang ging die drei Stockwerke zu Fuß hinauf. Die Wände waren, abgesehen von der Farbe, kahl. Das gleiche galt für die Stufen, auf denen sich lediglich ein Antirutschbelag befand. Chan hätte das Gebäude noch blind als Polizeirevier erkannt, denn die Wände und Böden trugen eine unterschwellige Botschaft, die nicht nur die Verbrecher zu lesen wußten, sondern auch jeder Polizist. Es war das erste Mal, daß Chan nicht als Leiter der Ermittlungen in einem Mordfall hier war. Siu erwartete ihn bereits mit seinem Assistenten, einem jungen chinesischen Inspector. Siu lächelte, als Chan eintrat.
    »Tut mir leid, daß ich Sie hergebeten habe. Ungewöhnlich, finden Sie nicht auch?«
    Chan nickte und sah sich in dem Büro um. Die Wand hinter Siu war mit Fotos bedeckt, die den Aufstieg eines Mannes innerhalb eines Systems dokumentierten: Siu als Schulsprecher; Siu als junger Polizist; Siu bei seinem Abschluß an der Polizeischule; Siu als Sergeant; Siu bei der Verhaftung zweier berüchtigter Triadenkiller; Siu als Senior Inspector; Siu beim Erhalt einer Auszeichnung durch den Gouverneur; Siu in seiner Dienstuniform als Chief Inspector. Chan schwor sich, das Foto in seinem eigenen Büro, auf dem ihm die Tapferkeitsmedaille verliehen wurde, sofort wegzustellen, wenn er zurückkam. Es gab gewisse Aspekte des chinesischen Charakters, mit denen seine irische Seite ganz und gar nicht zurechtkam.
    »Wir haben eine Kopie Ihrer Notiz erhalten, auf der Sie uns mitteilen, daß Ihre Fingerabdrücke sich auf dem Marmortisch befinden könnten. Sie hatten recht – sie sind drauf.«
    Chan sah Siu einen Augenblick zu lang an. Es überraschte ihn nicht, daß Siu seine Aussage überprüft hatte, nein, es erstaunte ihn nur, daß Siu ihn nicht persönlich um seine Fingerabdrücke gebeten hatte. Es gab letztlich nur eine Möglichkeit, wie er sonst an sie herangekommen war. Wie alle anderen Einwohner von Hongkong hatte Chan sich bei der Beantragung seines Ausweises bereit erklärt, Fingerabdrücke nehmen zu lassen. Normalerweise unterlagen diese Abdrücke dem Datenschutz und waren der Polizei nur mit Zustimmung des Commissioner zugänglich. Also mußte Siu sich an Commissioner Tsui gewandt haben, um an vertrauliche Informationen über Chan zu kommen. Und Tsui hatte sie ihm gegeben.
    Chan lächelte. »Das habe ich Ihnen ja

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