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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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letzter Zeit ein hohes Sicherheitsbedürfnis entwickelt hatte. Telefonanrufe wurden fast unverständlich, weil Kan versuchte, seine ohnehin undeutliche Stimme zu verstellen. Chan wußte bei solchen Gelegenheiten eigentlich immer nur, wer angerufen hatte. Und nun hatte Kan auf einem Treffen auf der Hongkonger Seite bestanden, weit weg von seinem eigentlichen Revier. Chan hatte den Verdacht, daß Kans anfänglicher Enthusiasmus, mit der Belohnung die Finanzen der Sun Yee On zu sanieren, nachgelassen hatte und er selbst ein bißchen Geld auf die Seite bringen wollte.
    An der Rezeption gab Chan einer gelangweilten Frau mittleren Alters das Geld für eine Stunde in Zimmer fünf. Während er auf den Lift wartete, spürte er ihren Blick im Rücken. Sie hatte weniger moralische als vielmehr wirtschaftliche Bedenken: Was er auch immer da oben allein treiben wollte, er hätte es auch daheim machen und fünfhundert Dollar sparen können. Dann wanderte ihr Blick zu der Ausbuchtung in seiner Hosentasche, in der sein Sony-Diktaphon steckte.
    Das Zimmer sah aus wie ein asiatischer Tribut an Aphrodite. In dem riesigen Spiegel an der Decke wurde das blutrote Bettzeug reflektiert; ein handgeschriebener Zettel mit chinesischen Schriftzeichen warb für ein Gerät mit der blumigen Bezeichnung »magische Finger«, das für zweihundert Dollar die Stunde an der Rezeption zu bekommen war. Auf einer langen, gedruckten Mitteilung versicherte die Hotelleitung, die Laken würden aufs sorgfältigste gereinigt. Außerdem wies sie darauf hin, daß sich im Wandschrank zehn unterschiedliche Arten von Kondomen in asiatischen und westlichen Größen befänden, und zwar »auf Kosten des Hauses«. Welche Größe würde ein ehrlicher Eurasier wohl wählen?
    Auch die Wände bestanden zum größten Teil aus Spiegeln; zehntausend Chans sahen zehntausend Chans dabei zu, wie er einen Stuhl heranrückte, die Füße aufs hintere Ende des Betts legte und wartete.
    Der Raum war eigentlich die Hälfte eines Doppelzimmers, das von einem zusammenfaltbaren Wandschirm (natürlich mit Spiegeln) geteilt wurde. Auf der anderen Seite dieses Wandschirms schienen Kans ungewöhnliche Sicherheitsvorkehrungen zu Problemen zu führen.
    »Aua! Hör auf damit.« Kans Stimme.
    »Scheißkerl.«
    »Aua – könntest du ihr bitte sagen, sie soll aufhören, mich zu kneifen?«
    »Natürlich kneift sie dich. Wir haben es dir schon gesagt, tausend Dollar für jede.«
    »Und ich hab’ euch schon gesagt, daß ich geschäftlich hier bin. Es geht um eine große Sache – ich kriege das Geld Anfang nächster Woche.«
    »Und warum heuerst du dann zwei Mädchen an, wenn’s ums Geschäft geht?«
    »Das ist nur eine Fassade. Es geht um einen geheimen internationalen Deal. Das würdet ihr sowieso nicht verstehen.«
    »Und warum hast du uns dann gesagt, wir sollen uns ausziehen?«
    Schweigen, dann ein Schnauben. »Ich bin ein Mann, und ich werde neugierig. Aber ich hab’ doch nichts gemacht, oder?«
    »Vielleicht bist du schwul.«
    »Sag das nicht, sonst werd’ ich böse. Und wenn das kleine Miststück mich noch mal kneift, kriegt sie eine gescheuert.«
    »Wenn du sie schlägst, schreie ich. Das Hotel hier wird von den Triaden beschützt.«
    »Von welchen?«
    »Von den 14K.«
    »Scheiße, das hat mir grade noch gefehlt. Hör zu, hier sind fünfzehnhundert Dollar. Mehr habe ich nicht. Den Rest kriegt ihr nächste Woche.«
    »Fick dich ins Knie. Nimm den Rest lieber selber und laß dir die Nase richten.«
    »Was ist los mit meiner Nase?«
    »Die funktioniert nicht richtig, du schniefst doch die ganze Zeit.«
    »Jetzt werd’ nicht persönlich.«
    »Ich soll nicht persönlich werden? Du hast doch grad’ meine Muschi gesehen, oder? Das nenne ich persönlich.«
    »Raus hier.«
    Dann das Geräusch eines Reißverschlusses und einer sich öffnenden und schließenden Tür.
     
    Die Füße auf dem Bett, dachte Chan darüber nach, daß das Leben eines Unterweltplayboys auch nicht immer ein Honigschlecken war. Er zündete sich eine Zigarette an, während Kan sich mit der Trennwand abmühte. Endlich gelang es ihm, sie mit der Schulter zurückzudrücken. Dahinter kam ein Raum zum Vorschein, der genauso aussah wie der von Chan. Auf Kans goldfarbenem Seidenhemd waren Schweißflecken, und auf der Wange hatte er einen roten Fleck, aber ansonsten wirkte der Killer ganz ruhig, fast schon ein bißchen selbstgefällig.
    »Haben Sie das alles mitgekriegt?«
    »Nur hin und wieder ein Wort.«
    »Zwei Frauen – das ist

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