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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Trennwand zurückschob. Als er sich sicher war, daß Kan weg war, holte er das Sony-Diktaphon aus der Tasche und legte es aufs Bett. Dann zündete er sich noch eine Zigarette an und schaltete das Gerät ein.
     
    Akte 128/mgk/MK/STC Geheime Nachricht, persönlich an Commissioner Tsui auszuhändigen und in Kopie an den Politischen Berater Mr. Milton Cuthbert zu schicken. Am 15 Mai 1997 habe ich mich um neun Uhr abends in einer bekannten » Villa « in der Lan Fong Road auf Hong Kong Island mit meinem Informanten Kan, einem Handlanger der Sun-Yee-On-Triaden, getroffen. Möglicherweise wird Kan mich zum gegenwärtigen Aufenthaltsort der Verdächtigen Clare Coletti, Yu Ningkun und Mao Zingfu führen können …

NEUNUNDVIERZIG
    Anders als im Jackson Room waren im Red Room des Hong Kong Club zum Mittagessen auch Frauen zugelassen. Obwohl die alten Mitglieder ob dieser neuen Regelung ein wenig vor sich hinbrummelten, hatte es erstaunlich wenig Protest gegeben. Wohlhabende Frauen brauchten schließlich einen Ort, an dem sie sich zur Essenszeit blicken lassen konnten, und manche Ehemänner fanden es angenehm, häusliche Fragen bei einer kultivierten Mahlzeit im Club zu besprechen. Folglich standen die Tische hier weiter auseinander als im Jackson Room, und es bestand wirklich wenig Gefahr, belauscht zu werden. Auch das Wägelchen mit den Hors d’œuvres war ein guter Grund, hier zu essen: Es war das beste in ganz Hongkong.
    Cuthbert allerdings hatte kaum eine andere Wahl, denn Major-General Horace Grant, der Oberbefehlshaber der britischen Truppen in Hongkong, nahm nur selten eine Essenseinladung an einem anderen Ort an. Man munkelte, daß seine Frau ihn dazu gebracht hatte, den Jackson Room wegen der dort praktizierten Frauendiskriminierung zu boykottieren.
    Cuthbert war früh dran, weil er wußte, daß der Oberbefehlshaber immer pünktlich kam. Ohne eigens nachzufragen, hatte man dem Diplomaten einen Tisch beim Fenster zugewiesen, von dem aus er den ganzen Raum überblicken konnte. Er wußte, daß der Oberbefehlshaber sich neben ihn auf den zweiten Platz am Fenster setzen würde, um ebenfalls den Überblick über den Raum zu haben.
    Der Politische Berater mußte sich eingestehen, daß er ein bißchen nervös war. Grant war kein Mann, der sich bei Entscheidungen beeinflussen ließ. Außerdem machte er sich nicht das mindeste aus Cuthberts Position, Ruf und Bildung. Er selbst kam aus einer nordirischen Familie mit Militärtradition. Die Verachtung für Diplomaten lag ihm im Blut. Vor hundertfünfzig Jahren hatte ein Grant bei einer schier endlosen Belagerung Kabuls, die seinerzeit dem Außenministerium angelastet wurde, zusammen mit seinem gesamten Regiment das Leben verloren. Die protestantischen Nordiren kamen in ihrer Fähigkeit, historischen Groll weiterzuvererben, fast an die Chinesen heran. Doch Cuthbert hatte eine Karte, die das Spiel für ihn entscheiden konnte. Ausnahmsweise einmal bat ein Diplomat um Aktion.
    Der Oberbefehlshaber erschien zusammen mit dem Oberkellner in der Tür und marschierte forschen Schrittes zu Cuthbert hinüber. Unterwegs nickte er ein paar Leuten zu, denen es wichtig war, von ihm gegrüßt zu werden. Cuthbert erhob sich, und sie gaben einander die Hand.
    »Wie freundlich von Ihnen, daß Sie gekommen sind«, sagte Cuthbert, als sie sich setzten.
    »Keine Ursache. Gutes Essen und gute Gesellschaft – und ein Vorwand, einmal beim Gouverneur vorbeizuschauen, jetzt, wo ich im Central District bin.« Er lächelte. Cuthbert lächelte zurück und versuchte seinem Gesprächspartner durch seine Mimik zu zeigen, daß er seinen subtilen Hinweis auf seinen Rang verstanden hatte: Nur der Oberbefehlshaber hatte das Recht, beim Gouverneur »vorbeizuschauen«. Geringere Sterbliche wie zum Beispiel der Politische Berater brauchten dazu einen Termin.
    Sie bestellten sich beide eine Bloody Mary. Cuthbert nippte daran, während Grant eine Weile an der Selleriestange knabberte, die dazu serviert wurde. Cuthbert paßte sich den militärischen Gepflogenheiten seines Gastes an. Bei einem Diplomatenkollegen wäre er wahrscheinlich erst beim Käsegang aufs Geschäftliche zu sprechen gekommen; bei Grant war es wichtig, daß er nicht das Interesse am Gespräch verlor. Auch die besten Soldaten standen in dem Ruf, sich nicht allzu lange konzentrieren zu können. Andererseits wäre es auch ein Fehler gewesen, sich wie ein Amateur auf ihn zu stürzen. Also unterhielten sie sich über die Leute, die sie kannten, über

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