Die letzten Tage von Hongkong
davon überzeugen, daß es nötig ist.«
Cuthbert lächelte. »Ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar, General.« Als er sah, daß der Sommelier sich wieder ihrem Tisch näherte, fragte er: »Weiß oder rot?«
»Ich werde heute ein Fischgericht nehmen.«
»Also dann einen Chablis?«
Grant nickte und wandte sich wieder seinen Hors d’œuvres zu. Eins mußte man den Diplomaten lassen – man mußte nichts explizit aussprechen. Gott allein allerdings wußte, ob sie auch in der Lage waren, jemals etwas ganz einfach und direkt abzuwickeln. Während Cuthbert den Chablis probierte, dachte sich der Oberbefehlshaber einen Witz aus, den er dem Gouverneur später erzählen wollte: Wie viele Diplomaten sind nötig, um eine Glühbirne auszuwechseln? Zwanzig. Einer zum Auswechseln und neunzehn, um die internationalen Implikationen zu durchdenken. Chris würde der Witz gefallen.
Cuthbert erkundigte sich, wann das Militärflugzeug landen würde, und schickte zwei Wagen, die die Männer abholen sollten. Von den fünfen sollten vier in ihrem Quartier in Stanley abgesetzt und der Ranghöchste direkt in Cuthberts Büro gebracht werden. Der Politische Berater dachte immer noch über die beste Taktik nach, als sein Sekretär Major Fairgood hereinbrachte. Cuthbert schüttelte einem personifizierten Klischee die Hand: Fairgood war durchtrainiert, hatte etwas Gefährliches um die Augen, einen kantigen Kiefer und schmale Wangen, die eine einzelne Falte vom Wangenknochen bis zum Mund durchzog. Cuthbert bemerkte den Argwohn, den Soldaten normalerweise gegenüber Diplomaten empfinden, in seinem Blick. Bei Fairgood äußerte er sich in fast schon theatralischem Blinzeln und einem verächtlichen Nasenzucken.
Cuthbert bat den Soldaten an den langen Tisch in seinem Vorraum.
»Sehr freundlich von Ihnen, daß Sie noch zu mir gekommen sind. Ich muß mich dafür entschuldigen, daß ich Sie belästige, während Sie sich eigentlich schon ein bißchen eingewöhnen sollten.«
»Kein Problem. Kein sonderlich schwieriger Job, soweit ich das beurteilen kann. Und wir müssen uns auch nicht groß eingewöhnen. Morgen um diese Zeit werden wir die nötigen Vorbereitungen getroffen haben.«
»Ja. Genau darüber wollte ich mich mit Ihnen unterhalten. Ich weiß nicht, ob der Oberbefehlshaber mit Ihnen gesprochen hat?«
»Nein – wie sollte er das?«
»Ja, da haben Sie natürlich recht.«
»Allerdings haben wir einen Funkspruch bekommen, als wir noch in der Luft waren. Es ist nicht schwer zu erraten, was Sie wollen.«
»Ah!«
»Aber das ist nicht möglich. Sie haben doch sicher schon von Gibraltar gehört?«
»Sicher.«
»Das war – unter uns gesagt – ein Befehl.«
»Wenn ich mich recht erinnere, wurden damals ein paar bekannte Mitglieder der Irisch-Republikanischen Armee von SAS-Männern … äh … umgebracht. Die Leute von der IRA hatten einen Wagen voller Sprengstoff dabei, waren aber selbst unbewaffnet.«
»Ein hoher Vorgesetzter dachte damals, es wäre praktisch, wenn diese IRA-Terroristen nie vor ein Gericht kommen würden. Er hat aber nicht mit dem Geschrei der Medien gerechnet. Ein verdammtes Verfahren wegen Totschlags in Gib – SAS-Leute! Eigentlich sollte niemand etwas von unserer Existenz wissen. So ein verdammtes Fiasko. Ein paar von den Leuten hätten fast den Dienst quittiert. Männer wie Sie sollen uns aus der Politik raushalten – und aus den Zeitungen. Und aus den Gerichten – besonders aus den Gerichten.«
»Da stimme ich Ihnen völlig zu.«
»Jetzt haben sich ein paar Familien der IRA-Schweine, die wir erschossen haben, an den Europäischen Gerichtshof in Straßburg gewandt. Solche Geschichten nehmen nie ein Ende.«
»Richtig.«
Cuthbert holte sein silbernes Zigarettenetui aus der Tasche und hielt es Fairgood hin, dessen Zorn sich schon wieder ein wenig zu legen schien. Zu seiner Überraschung nahm der durchtrainierte Major die Zigarette dankbar an.
»Wenn die Umstände natürlich anders wären«, sagte Cuthbert, »und wenn es gute Gründe gäbe …«
»Es ist mehr als eine zehnminütige Unterhaltung mit einem Diplomaten nötig, um mich davon zu überzeugen, daß ich meinen Männern so etwas zumute, das kann ich Ihnen sagen.«
Cuthbert lächelte. »Nun, ich darf Ihnen gestehen, Major, daß ich Ihnen das nicht zum Vorwurf mache. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie zu mir gekommen sind, und ich werde nicht weiter versuchen, Sie zu überreden. Aber Sie werden verstehen, daß es meine Pflicht gewesen ist, es zu
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