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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Händen. Chan warf sich zu Boden und mußte zusehen, wie die Kugeln aus den beiden Maschinenpistolen zuerst die Körper von Clare und ihren Freunden zerfetzten und dann ihre Köpfe.
     
    Menschlicher Brei, so weich wie das Fleisch einer Wassermelone, tropfte von der Containerwand. Es war kaum zwanzig Sekunden her, daß Clare noch etwas gesagt hatte.
    » Ich hatte alles unter Kontrolle. Es bestand keinerlei Gefahr. Sie waren unbewaffnet … wir hätten sie befragen können. «
    Er sagte das immer wieder, als sie ihn quer über den Platz zu dem Seil führten, das von dem Hubschrauber herunterhing. Zwei weitere Männer kamen das Seil herunter.
    »Ihr könnt saubermachen«, sagte einer der Schützen. Die beiden Neuankömmlinge nickten und gingen forschen Schrittes zu den Leichen.
    Dann legten die Schützen ihm ein Geschirr an, und er wurde hinauf in den Hubschrauber gezogen. Die beiden anderen kamen auf die gleiche Weise herauf. Wenige Minuten später folgten die verbleibenden Soldaten, und der Hubschrauber drehte ab. Einer der Soldaten ging nach vorn, um dem Piloten etwas zu sagen.
    »Wir werden Bulldozer brauchen und schwere Kräne – die Container stehen ziemlich dicht beieinander. Ach ja, und etwas, womit wir ein Feuerchen machen können.«
    Der Pilot schaltete das Funkgerät ein. »Operation Glacéhandschuh hier. Verstehen Sie mich?«
    »Verstanden, Glacéhandschuh, over.«
    »Sie haben die Koordinaten. Schicken Sie Bulldozer und Kräne, um die Container zu verschieben – und etwas für ein hübsches Freudenfeuerchen. Over.«
    »Verstanden, over und out.«
    Chan mußte ganz hinten sitzen, die beiden Schützen unmittelbar vor ihm. Sie hatten ihm die Waffe abgenommen. Drei weitere Männer saßen auf der anderen Seite des großen Hubschraubers. Sie schienen dem Band der Straße zu folgen, das sich unter ihnen nach Kowloon und Hong Kong Island zurückwand.
    Chan spürte, wie Zorn in ihm aufwallte. Als er Moiras rätselhafte Tochter endlich gefunden hatte, hatte sich das Rätsel in den wenigen Minuten, die er sie beobachtet und belauscht hatte, zusammen mit der Furcht und der Hochachtung in nichts aufgelöst. Er wußte, wer sie war; jeder Stadtpolizist hätte sie und ihre Freunde erkannt: Sie waren die ewigen Phantasten, die schon sehr früh erkennen müssen, daß sie für die Realität nicht geschaffen sind. Sie rutschen aus Schwäche und Verzweiflung ins kriminelle Milieu ab und verdienen es, wie ganz normale Verbrecher behandelt zu werden, nicht wie Terroristen. Egal, welche Verbindung sie zu dem Uran hatten, diese drei konnten nur Kuriere gewesen sein, soviel stand fest.
    Der Schütze sprach zu dem Kollegen, der ihm gegenüber saß.
    »Geiselnahme – wir hatten keine andere Wahl. Ein Polizeibeamter war in Todesgefahr.« Der Mann gegenüber – er hatte schmale Wangen, auf denen sich eine einzelne Falte vom Wangenknochen bis zu den Lippen eingegraben hatte – nickte. Er wandte sich Chan zu.
    »Hören Sie das? Die Beamten hier haben Ihnen das Leben gerettet. Es würde mich freuen, wenn Sie ihren Einsatz zu würdigen wüßten.«
    Der Schütze direkt vor Chan drehte sich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. »Okay, Chinese?«
    Sie wirkten nicht bedrohlich auf Chan; er hatte keine Angst, daß sie ihn aus dem Hubschrauber stoßen würden. Vielmehr schienen sie sich auf die Drohung zu verlassen, die von ihrem Auftreten ausging. Chan stand noch immer unter Schock. Das Ziel jeder Politik war seiner Meinung nach der Friede, doch jetzt war Moiras Tochter tot, genau wie ihre beiden Begleiter, niedergemetzelt bei einem paramilitärischen Angriff. Er brauchte endlos, bis es ihm gelang, sich aus seiner passiven Verzweiflung zu lösen und sich an den Mann vor ihm zu wenden.
    Er beugte sich nach vorn und sagte mit gezügelter Verachtung:
    »Schreiben Sie in Ihren Bericht, was Sie wollen, Soldat, aber wenn Sie noch einmal ›Chinese‹ zu mir sagen, klemme ich Ihnen die Eier in eine Schraubzwinge. Verstanden, Mösengesicht?«
    Chan lehnte sich, ein wenig erleichtert, auf seinem Sitz zurück. Es gab Gelegenheiten, bei denen infantile Rachsucht viel mehr half als erwachsene Selbstbeherrschung.
    Der Mann wechselte einen Blick mit seinen Kollegen, sagte aber nichts mehr. Cuthbert wartete in Stanley. Er schenkte Chan keine Beachtung und zog sich zusammen mit den Soldaten in einen Raum zurück, um ihren abschließenden Lagebericht zu hören. Chan wurde mit einem Regierungswagen zum Central District zurückgeschickt, als sei er bei dem

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