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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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können. Die 14K sind ziemlich fanatisch, wenn’s um marktwirtschaftliche Kräfte geht.«
    »Marktwirtschaftliche Kräfte«, wiederholte Chan.
    »Nur durch sie bewegt sich die Welt. Die 14K zahlen also den Sun Yee On noch mal zehn Millionen, damit sie den Vertrag mit ihm vergessen. Die 14K sollen sich um alles kümmern. Sie versprechen den Sun Yee On, daß sie es nicht bereuen werden. Die Sun Yee On lassen sich auf das Geschäft ein. Der Hauptpunkt ist, daß es so aussehen wird, als hätten die Sun Yee On die Hinrichtungen durchgeführt.«
    »Ah!«
    »Wahrscheinlich hätten die 14K das tatsächlich durchziehen können, wenn sie nicht gar so kreativ gewesen wären. Sie haben zum Beispiel das Uran nicht geliefert – sie haben’s so aussehen lassen, als sei was schiefgelaufen und als hätten sie’s wegwerfen müssen. Dabei wollten sie es nur später holen. Aber das ist noch nicht das Beste dran. Man muß ihren Mumm wirklich bewundern. Natürlich hat er was vermutet, aber er hatte keine Beweise, und für jemanden wie ihn ist es ehrenrührig, hysterisch zu werden. Sogar ich muß ihren Mumm bewundern – ist es zu fassen, daß ich so was sage?«
    »Das, was sie gemacht haben, muß ganz schön genial gewesen sein, wenn Sie das sagen. Aber bevor Sie es mir erzählen, brauche ich eine Zigarette.«
    Lee sah verblüfft aus, als Chan sich eine Benson anzündete.
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie’s immer noch nicht wissen? Haben die Briten Ihnen das nicht gesagt?«
    »Was gesagt?«
    »Zur gleichen Zeit, als die drei Kuriere verschwunden sind, sind auch zwei seiner besten Kader in Guangdong entführt worden.«
    Chan sagte leise: »Sagen Sie das noch mal.«
    »Es ist wahr. Alle wissen es. Wahrscheinlich ist es schon im Internet. Die Körper in dem Bottich waren nicht zu identifizieren, stimmt’s?«
    Chan atmete langsam den Rauch seiner Zigarette aus. »Genau.«
    »Tja, wenn also die drei Kuriere nicht durch den Fleischwolf gedreht wurden …«
    Plötzlich wurden die vergangenen Wochen klar: Xians unbeholfener Annäherungsversuch auf dem Boot, Cuthberts Besessenheit, die Tatsache, daß Chans Telefon angezapft worden war, das Verhalten der Leute von der Küstenwache, die fünf grimmigen SAS-Killer, die eigens eingeflogen worden waren, die ganze merkwürdig angespannte Atmosphäre des Falles. Einfache Lösungen waren nicht immer schön. Diese Erkenntnis war fast, als sehe man in ein Schaufenster, wo Angst, Gier, Haß und Zorn hübsch beleuchtet ausgestellt waren.
    »Und das dritte Opfer, die Frau? Sie war kein Kader, sondern aus dem Westen.«
    »Eine Rucksacktouristin, die sie in Thailand aufgegriffen haben. Irgendein Mädchen. Sie haben ihr erzählt, sie würden sie brauchen, um Heroin von Hongkong nach New York zu schmuggeln.«
    »Und jetzt weiß er mit letzter Gewißheit, daß seine eigenen Männer zerhäckselt worden sind?«
    »Nachdem Sie heute die Kuriere gefunden haben? Natürlich weiß er es mit letzter Gewißheit. Ich habe ihn selbst angerufen und es ihm voller Schadenfreude gesagt. Ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen. Ich habe es ihm richtig unter die Nase gerieben.«
    »Sie kennen Xian?«
    Lee zuckte mit den Achseln. »Wir machen hin und wieder Geschäfte miteinander.« Er spuckte auf den Boden. »Na und? Ich mache ja sogar Geschäfte mit den 14K, obwohl ich sie hasse.«
    Chan vergrub das Gesicht in den Händen.

DREIUNDFÜNFZIG
    Mit Neunundvierzig war man eigentlich zu alt, um sich wie ein kleines Mädchen über das Piepsen eines Faxgeräts zu freuen – es sei denn, man war ein Kind der sechziger Jahre. Ein Vorteil, der Generation anzugehören, die niemals erwachsen wurde, besteht darin, daß man wirklich niemals erwachsen wird. Moira wußte sofort, daß das Fax von Charlie war. Erstens war er der einzige Mensch auf der anderen Seite der Welt, der um zwei Uhr morgens New Yorker Zeit arbeitete. Zweitens war er der einzige Mensch, der ihr überhaupt Faxe schickte. Es bestand kein Grund, warum er nicht um diese Zeit faxen sollte – der eine Piepston des Geräts hätte sie nicht aufgeweckt. Aber sie war noch gar nicht im Bett gewesen. Vielleicht war Schlaflosigkeit ansteckend. Charlie schlief nie. Vielleicht war es auch das Alter. Wenn man nicht erwachsen wird, bedeutet das noch lange nicht, daß man auch nicht alt wird.
    Sie stand neben dem Gerät, das sie in ihrem winzigen Schlafzimmer aufgestellt hatte – Clares Zimmer –, und das sie jetzt ihr Büro nannte. Mit einem quietschenden Geräusch

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