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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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ausbooten.«
    Chan hielt den Wagen an. Er sah dem Killer zu, wie er sich mit einem etwa zwölfjährigen Mädchen unterhielt. Die Kleine hatte große ovale Augen, dichte schwarze Haare und ein Lächeln, bei dem jeder dahingeschmolzen wäre. Saliver kam mit einem Fluch auf den Lippen wieder.
    »Ist das zu fassen?« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Was?«
    »Sie will tausend Dollar.«
    »Und worauf warten Sie?«
    Saliver starrte Chan an, als sei er ein bißchen dumm. »Natürlich darauf, daß sie mit dem Preis runtergeht.«
    Kan stand mit dem Rücken zu dem Mädchen beim Wagen. Chan sah zu, wie sie näher kam und den Killer auf den Arm tippte.
    »Na schön, neunhundert«, sagte sie.
    »Die zahlen Sie von Ihrer Belohnung«, sagte Chan zu Kan und lächelte das Kind an. Als er aus dem Wagen ausstieg, schaltete er sein Funkgerät ein.
    Weitere verlassene Wagen und Motorräder. Chan nahm mit geübtem Blick gebrauchte Kondome wahr, erkaltete größere und kleinere Feuerstätten, Hunde- und Katzenkadaver, alte Männer- und Frauenslips, einen kaputten Walkman, die Überreste von im Feuer gebratenen Enten, Aluminiumtöpfe für Reis: Hier gab der Osten dem Westen ein Stelldichein.
    Er und Kan folgten dem Mädchen, das sich selbstbewußt seinen Weg durch den kriminellen Müll suchte. Einmal kamen sie an zwei alten Matratzen, einer Sammlung von Gummibändern, Einwegspritzen, Wattebäuschen und Schraubverschlüssen von Weinflaschen vorbei. Die amerikanischen Polizisten nannten so etwas shooting gallery – Schießstand. Mit den Gummibändern band man den Oberarm ab, in den Schraubverschlüssen erhitzte man das Heroin, und mit den Wattebäuschen tupfte man den letzten Rest auf. Chan spürte, daß sie den drei Flüchtigen näher kamen.
    Ohne Vorwarnung blieb das Mädchen stehen und hob die Hand. Der Weg wurde von zwei übereinandergestapelten Containern versperrt. Sie zeigte ihnen mit Gesten an, daß sie einen Umweg machen mußten. Das, wonach sie suchten, befand sich auf der anderen Seite. Sie hielt Kan die Hand hin, in die er widerwillig neunhundert Hongkong-Dollar blätterte. Ein Geschäft ist ein Geschäft. Außerdem sah ja ein Chief Inspector der Polizei mit einer Maschinenpistole zu.
    Chan sagte Kan, er solle warten, während er um den Container herumginge. Er mußte drei Container zurück, nach links, nach links und noch einmal nach links. Jedesmal jedoch war der Weg wieder verstellt: Die Mitte des Labyrinths war durch eine Stahlmauer abgeriegelt. Schließlich fand er eine Leiter. Er entdeckte fünf Drähte an den Stufen, die wahrscheinlich zu einer primitiven Alarmanlage gehörten. Chan nahm die Maschinenpistole in die Hand und kletterte die Leiter hinauf, ganz vorsichtig, um die Drähte nicht zu berühren. Von oben entdeckte er dahinter eine unerwartet große, freie Fläche, vielleicht neun Quadratmeter, die durch die eng zusammengestellten Container völlig von der Außenwelt abgeschlossen war. An einem Draht, der über eine Ecke gespannt war, hingen Blue jeans, Männer- und Frauenunterwäsche, T-Shirts. Auf dem Boden saß, den Rücken an einer Stahlwand, zusammengesunken Clare Coletti. Das Heroin hatte sie schnell alt werden lassen. Wenn er sie nur kurz in einer Menschenmenge gesehen hätte, hätte er sie auf fünfzig geschätzt.
    Mit ihrem rasierten Kopf, den blauen Augen und den östlichen Lidfalten sah das Gesicht aus wie aus einem Comic strip – Kat Woman. Ihre Haut war fahl. Mit ausgemergelten Händen, dünn wie Vogelkrallen, kratzte sie sich ständig an verschiedenen Stellen ihres Körpers. Am stärksten fiel Chan ihr Kopf auf; er drehte sich die ganze Zeit wie eine Videokamera. Einmal schaute sie kurz zu ihm herauf, aber sie schien ihn nicht bewußt wahrzunehmen. Sie schwitzte.
    »Johnny? Verdammt.« Sie sprach mit Bronx-Akzent, jedoch anders als Moira schnell und herablassend.
    »Ich mach’s grade heiß.«
    »Ja. Beeil dich mal ’n bißchen.«
    »Willst du’s selber machen?«
    »Ich mach’s nicht heiß. Das haben wir doch schon mal durchgekaut.«
    »Genau. Genau. Der Große Khan macht so was nicht.«
    Johnny sagte etwas auf Mandarin. Kurzes Lachen von dem anderen Mann.
    »Wollt ihr Jungs wieder aufmüpfig werden? Ich würde das an eurer Stelle nicht probieren. Vergeßt nicht – ohne mich kommt ihr hier nicht raus.«
    »Ja, ja, Euer Hoheit, wir vergessen’s nicht.« Kichern. Clare verzog das Gesicht und grinste dann plötzlich.
    »Verdammt.« Sie schüttelte den Kopf. »Leute, ich sollte euch die Eier

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