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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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rollte sich das Papier in die Auffangschale. Moira begann zu lesen, noch bevor es abgeschnitten wurde. Es mußte doch noch mehr kommen?
    Als das Gerät nicht noch einmal piepste, las sie die grausame Botschaft ein zweites Mal und fing zu zittern an.
    Sie ging in die Küche, um den Bourbon zu holen, kippte ein Glas in einem Zug und schenkte sich ein zweites ein. Also war sie doch tot. Und Charlie zeigte ihr die kalte Schulter. In gewisser Hinsicht war Clare schon vor langer Zeit gestorben, und sie konnte einfach nicht mehr trauern um eine Smacksüchtige, die ihren vierzigsten Geburtstag nicht erleben würde. Trotzdem konnte sie sich nicht gegen ihre Erinnerungen wehren. Clare war so ein süßes Kind gewesen, und so klug. In einer anderen Stadt, einer anderen Welt, hätte sie vielleicht etwas Wunderbares aus ihrem Leben gemacht. Moira ging ins Wohnzimmer zurück, das kaum größer war als das Charlies, machte das Fenster auf und schaute hinunter auf die Straße. Springen oder schreien? Sie entschied sich für die zweite Alternative, machte das Fenster wieder zu und trank das Glas Bourbon aus. Aber du hast Alternativen gehabt, Clare. Es waren nicht alles nur die Fehler der anderen. Ich habe dich angefleht, daß du aufhörst damit. Angefleht.
    Sie nahm ein frisches Glas in Clares Zimmer mit und brüllte die Wände an: » Ich habe versucht, dich zu retten. Ich habe dir alles gegeben, was ich hatte. Alles. Ich habe für dich gelogen. Ich habe für dich betrogen. Warum war das nicht genug? Liebe sollte doch eigentlich immer genug sein, verdammt noch mal. Egal wie, letztlich hat dich das Smack umgebracht. Hast du denn so verdammt schwach sein müssen? «
    Wieder war das Glas leer. Sie kehrte in die Küche zurück und schenkte sich noch einen Schluck ein. Dann sank sie auf einen Stuhl. Ich habe alles getan, um sie zu retten. In gewisser Hinsicht war der schwerere Schlag, daß sie Charlie verlor.
    Aber Charlie war nicht grausam, sondern nur sehr wütend. Konnte sie ihm das verdenken? Er hatte sie bei einer weiteren Lüge erwischt, diesmal bei einer großen – die falschen zahnmedizinischen Unterlagen, die sie auf Clares Wunsch nach Hongkong mitgenommen hatte. Aber es ist nicht so, wie du denkst, Charlie. Ich bin nie bei der Mafia gewesen, ich habe nur versucht, mein Kind zu retten.
    Zwei Gläser später kam sie zu einem Entschluß. Sie hatte sich gesagt, daß sie Mario nicht beim Sterben im Mount Sinai Hospital zusehen würde. Er hatte so viele Frauen gehabt, die das für ihn tun konnten. Sie konnte keinen Kummer mehr gebrauchen, weil ihr ganzes Leben voller Kummer gewesen war. Aber jetzt würde sie doch zu ihm gehen. Und bevor er starb, würde er reden, weil sie ihn brauchte, um ihre letzte Beziehung zu retten. Nach Charlie würde es keinen Mann mehr geben. Solche Dinge spürte man, wenn man auf die Fünfzig zuging.
    Obwohl es schon so spät war, rief sie im Krankenhaus an. Sie setzte ihre alte Polizistenstimme und ihre alte Polizistenautorität ein, um sich bis zu Mario durchzukämpfen, der ohnehin nicht schlief und sich freute, von ihr zu hören. Er wußte es zu schätzen, daß er Gelegenheit bekam, sich von der einzigen Liebe seines Lebens zu verabschieden, sagte er, der Schleimer.
    Es war schon nach neun Uhr morgens, als sie aufwachte, sich wusch, ein paar Tylenol gegen den Kater nahm, ein Taxi kommen ließ, die vier Stockwerke in dem Haus in der Fox Street hinunterging und auf dem Gehsteig wartete. Sie sah sie im Schminkspiegel, als sie ihr Mascara überprüfte, zwei schwarze Jungs, nicht älter als dreizehn oder vierzehn, allerdings hochaufgeschossen. Man mußte die Straße kennen, um ihre Körpersprache zu verstehen: gesenkter Blick, ein Flüstern, ein Nicken in Richtung ihrer Handtasche. Sie wartete, bis sie sie fast erreicht hatten, dann drehte sie sich um, stieß dem einen das Knie in den Unterleib und dem anderen die ausgestreckten Finger in den Hals. Sie mußte über sie hinwegsteigen (der eine wand sich am Boden, der andere hustete fürchterlich, beide waren höchst überrascht), um ihr Taxi zu erreichen, das gerade an der Bordsteinkante vorfuhr. Der Fahrer hielt gerade lange genug, daß sie einsteigen konnte, und beschleunigte schon wieder, als sie noch dabei war, die Tür zu schließen.
    »Das hätten Sie nicht machen sollen.« Der Fahrer sprach mit breitem Akzent, den Moira nicht recht zuordnen konnte. »Ich hab’s von der anderen Straßenseite aus mitgekriegt.«
    Sie machte ein finsteres Gesicht. »Wissen

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