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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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erarbeitete Fähigkeit, die sich in diesem atemlosen Jahrhundert überlebt hatte, dachte Chan.
    Die Schreibmaschine war durch ein Sony-Diktaphon ersetzt worden. Wenn er das kleine Plastikgerät ansah, fiel ihm nichts mehr ein. Das war fast wie Lampenfieber. Manchmal konnte Chan es selbst kaum fassen, wie chinesisch er war. Als damals das Rad erfunden wurde, gab’s sicher einen Mann, der sagte, daß es keine Zukunft hätte, und dieser Mann hieß bestimmt Wong, Kan – oder Chan.
    Die Fotos der von Angie gestalteten Köpfe waren am Morgen eingetroffen. Alle zwanzig Minuten fand Aston eine Ausrede, die es ihm erlaubte, um Chans Schreibtisch herumzugehen und Polly anzustarren. Dabei schürzte er jedesmal die Lippen und saugte zischend die Luft ein. Das wirkte irgendwie gequält und gleichzeitig lüstern.
    »Was für eine Verschwendung«, sagte Aston beim vierten Mal.
    Chan hob seufzend den Blick von der Akte. »Im alten China galt es als eins der schlimmsten Schicksale, sich in einen Toten zu verlieben. Geister können einem die Kraft aussaugen, Dick. Seien Sie vorsichtig.«
    Aston gab ein trauriges Grunzen von sich. »Nicht mal mit den Toten gibt’s Safe Sex.«
    Chan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Haben Sie sich heute nacht nicht flachlegen lassen? Mir ist aufgefallen, daß anstrengende Fälle Ihre Hormonausschüttung anzuregen scheinen.«
    »Verübeln Sie mir das? Bei so einem Fall muß man sich einfach zwischendurch mal erholen.«
    »Nun, solange Sie die Frau nicht mit der Polizeimarke dazu gezwungen haben.«
    Aston sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. »Aber nein, Chief. Ich weiß doch, was Sie von solchen Dingen halten.«
    »Ich und der Commissioner of Police. Wenn irgend jemand was mitkriegt, nur den leisesten Verdacht, sitzen Sie sofort im Flugzeug heim nach Romford, Essex. Ich will Ihnen keine Moralpredigt halten, sondern Ihnen nur einen guten Rat geben – das gehört zu meinen Aufgaben als Vorgesetzter.«
    »Heim nach Romford? «Aston tat so, als sei er zutiefst verzweifelt. »Da würde ich ihn mir ja eher noch abschneiden.«
    Chan nickte ernst. »Ich nehme mit Wohlwollen zur Kenntnis, daß Sie sich lieber kastrieren lassen würden, als wieder nach Hause zu fahren. Was ist übrigens so schrecklich an Romford, Essex?«
    »Nichts … Allerdings nur, solange Sie nie woanders gewesen sind. Luton reicht da schon. Und wenn Sie mal hier gewesen sind … Ehrlich, ich würde zehn Jahre meines Lebens geben, wenn ich hierbleiben könnte.«
    »Hier auf diesem verdreckten, oberflächlichen, materialistischen, überhitzten Felsen voller Chinesen?«
    »Wissen Sie, warum? Hier braust das Leben, Tag und Nacht. Die Leute sind ständig unterwegs, um was zu verdienen. Hier hat niemand Zeit rumzusitzen und Trübsal zu blasen. England ist auf Valium, Amerika auf Prozac, aber hier sind die Menschen noch Menschen. Hier gibt’s Jugend, Ehrgeiz, Power. Achtzig Prozent der Bevölkerung ist unter Dreißig.«
    »Also hat’s nichts mit den Frauen hier zu tun?«
    Aston strich sich mit der Hand durch die Haare. »Das hab’ ich nicht gesagt, oder?«
    Chan beobachtete den jungen Mann dabei, wie sein Blick wieder zu der Skizze von Polly wanderte.
    »Ich glaube, ich verstehe. Aber würde es Ihnen etwas ausmachen, jetzt mit Ihrer Erektion wieder an Ihren eigenen Schreibtisch zurückzugehen, bevor Ihnen hier was zustößt?«
     
    Aston ging an seinem Schreibtisch, der gegenüber von dem Chans stand, die Murder Investigator’s Bible durch, eine amerikanische Kriminalistikpublikation, um die Chan einen weiten Bogen machte. Er ließ immer Aston daraus vortragen.
    »DNA steht für Desoxyribonukleinsäure«, erklärte Aston.
    Chan erkundigte sich nicht, wofür RFLP oder PCR stand. Ihm genügte es zu wissen, daß PCR der kleine DNA-Test war und man die Ergebnisse innerhalb eines Tages bekam. RFLP dauerte zwar viel länger, war aber auch zuverlässiger. Eine wirkliche Alternative stellte sie allerdings nur dann dar, wenn es kaum Gewebeproben gab. Chan jedoch hatte einen ganzen Bottich voll; einen Bottich und drei Köpfe. Die PCR-Resultate lagen bereits vor, und Chan bezweifelte, daß die RFLP noch etwas Überraschendes zutage fördern würde.
    Der PCR-Test war für alle drei positiv ausgefallen. Das hieß, daß die charakteristische Doppelhelix, die Gott dem Kern jeder menschlichen Zelle mitgibt wie der Autofabrikant dem Wagen die Fahrgestellnummer, übereinstimmte. Drei verschiedene Doppelhelices waren in dem Durcheinander des Bottichs

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