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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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enormen Reichtum. Was ihre Aktivposten angeht, könnten sie mit unseren größten Banken in Wettbewerb treten. Vorausgesetzt, sie gehören tatsächlich alle denselben Leuten.«
    »Ich glaube, davon können Sie ausgehen«, sagte Wong.
    »Das ist wie ein Krebsgeschwür.«
    »Kein Krebsgeschwür«, sagte Wong, »sondern eine östliche Strategie. Wie beim Go kreist man durch Schläue ein und erstickt den Gegner. Clever, diese Schlitzaugen.«
    Ng nickte bedächtig, als betreffe ihn das Schimpfwort überhaupt nicht.
    »Und warum sollte irgend jemand uns ersticken wollen?« fragte Rathbone.
    Wong zündete sich eine Zigarette an, die zehnte innerhalb der letzten zwei Stunden. »Nicht uns, sondern Hongkong. Oder noch wahrscheinlicher: Südostasien. Wer sie auch immer sein mögen – sie werden die Kontrolle übernehmen.«
    Savile sah Wong an. Wong wußte, daß sich hinter seinem absurden Monokel und seiner Affektiertheit der klügste Kopf von den dreien verbarg, auch wenn das möglicherweise nicht viel zu sagen hatte.
    » Ich glaube, wir sollten akzeptieren, daß sie uns in ihren Klauen hat. Wenn diese Unternehmen sich alle andere Kanzleien suchen würden, wären wir bankrott. Wir könnten nicht einmal mehr die Miete bezahlen.«
    »Genau«, murmelte Ng.
    Rathbone stand mit einem Ächzen auf, ließ seine Brustmuskeln spielen, machte mit verschränkten Armen eine Kniebeuge und setzte sich wieder.
    »Es ist das beste, wenn wir schnell handeln«, fuhr Savile fort.
    »Das, was wir hier besprechen, muß unter uns bleiben. Wir werden folgendermaßen vorgehen: Wir übernehmen den Auftrag, aber wenn’s dann soweit ist, tun wir überrascht darüber, daß die Zahlung bar erfolgen soll. Sie sollen das Geld in der allerletzten Minute bringen. Natürlich können wir die Transaktion dann nicht mehr verhindern, aber wir können sagen, daß wir mit einer Zahlung per Scheck oder Wechsel gerechnet haben. Wir berechnen zuerst unsere Gebühren und dann … werden wir schon sehen.«
    Savile mußte nicht eigens erwähnen, welche Vorsichtsmaßnahmen er und die anderen gleich am Nachmittag treffen würden: neue Nummernkonten auf den Caymans oder den britischen Virgin Islands, vorgezogene Ferien. Persönliches Vermögen, besonders Häuser und Grundstücke, würde auf Treuhandgesellschaften mit Sitz auf den Kanalinseln überschrieben. Wenn der Sturm dann kam, würde er nicht mehr so viel Schaden anrichten.
    Rathbone sah die Anwesenden einen nach dem anderen an.
    »Dann sind wir uns also einig?«
    »Ich glaube schon«, sagte Savile.
     
    Wong rief Emily gleich nach dem Treffen an, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen.
    »Ich hab’ mir schon gedacht, daß du sie überzeugen würdest, Johnny. Du hast gute Arbeit geleistet.«
    Nachdem Emily aufgelegt hatte, drückte sie den Knopf mit einer vorprogrammierten Nummer. Eine rauhe Altmännerstimme antwortete auf Mandarin.
    »Er macht’s.«
    »Natürlich macht er’s.«
    »Aber sie wollen das Geld genau eine Stunde vor dem jeweiligen Vertragsabschluß. Nicht früher und nicht später.«
    Der alte Mann gab ein grunzendes Geräusch von sich. »Und unser kleiner Polizist?«
    »Jonathan wird ein Treffen arrangieren. Vielleicht kann ich Sie sogar mitnehmen, wenn Sie sich so für Charlie Chan interessieren.«

ZWANZIG
    Mit einem leichten Gefühl der Erregung stieg Chan in den Wagen, der ihn zu dem Fischerdorf Sai Kung an der Ostküste der New Territories hinausbringen sollte: Ein englischer Senior Inspector hatte angerufen, um ihm mitzuteilen, daß man vermutlich einen Fleischwolf am Meeresboden entdeckt hatte.
    Sobald sie das riesige Ballungsgebiet verlassen hatten, das sich von der Spitze Kowloons südlich bis nach Choi Hung erstreckte, wurde das Land grün und war fast unbesiedelt. Die Straße erweiterte sich zu einer Autobahn, die zu den Hügeln an der Ostküste anstieg.
    Es war halb zehn Uhr morgens, und die Sonne schien grell vom Himmel. Hinter ihnen lag Kowloon unter einer weißlichen Dunstglocke, doch vor ihnen war der Himmel tiefblau, wie glasiertes Mingporzellan. Die Welt geriet unter dem Angriff der Sonne ins Wanken. Silberne Pfützen schimmerten in den Mulden der Straße. Grüngeflieste Dächer wellten sich. Chan und der Fahrer setzten Sonnenbrillen auf und drehten die Klimaanlage höher.
    Chan schaltete das Radio ein und zuckte zusammen, als er hörte, daß er einen Cantopop-Sender erwischt hatte. Please release me, let me go verlor ziemlich viel durch die Übersetzung ins Kantonesische. Er drehte weiter

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