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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Jahren aus demselben Grund hierhergekommen. Vor sechsunddreißig Jahren? Chan war jetzt ungefähr genauso alt wie sein Vater, als er Mai-mai und die Kinder im Stich gelassen hatte, ein rücksichtsloser Ire, der sich vor der Verantwortung drückte. Böser Paddy.
    Auf der Plattform bereiteten die Polizeitaucher ihre Sauerstoffflaschen vor. Chan war froh, daß sie genug dabei hatten, denn in fünfunddreißig Meter Tiefe reicht eine Flasche nicht lange.
    Er sprang vom Boot auf die Plattform und stellte sich den beiden chinesischen Tauchern vor. Sie nickten dem Chief Inspector voller Respekt zu.
    »Wie viele Regler haben Sie dabei?« fragte Chan.
    »Vier, einen für jeden, einen für die Ausrüstung, die wir unter der Plattform lassen, und einen als Ersatz.«
    Sie hielten sich genau an die Vorschriften. Wenn man tiefer als zehn Meter tauchte, daran erinnerte Chan sich jetzt wieder, sollte man immer in etwa fünf Meter Tiefe verharren, damit Stickstoff aus dem Blut entweichen konnte, bevor man wieder an die Oberfläche ging. Aber zehn Minuten oder länger in fünf Meter Tiefe zu warten, konnte zum Problem werden, wenn man in größerer Tiefe bereits alle Luft aufgebraucht hatte. Deshalb hängten gute Taucher immer eine Sauerstoffflasche und einen Regler mit einem Gewicht in etwa fünf Meter Tiefe unter das Boot. Dort konnten sich dann zwei oder mehr Taucher treffen und sich die Luft aus der Sicherheitsflasche so lange teilen, bis der Tauchcomputer grünes Licht gab.
    »Ich tauche selbst.« Chan holte seine Lizenz heraus. Die beiden professionellen Taucher wechselten einen Blick.
    »Kommen Sie mit runter?«
    »Das liegt an Ihnen. Unter Wasser haben Sie das Sagen – so sind die Regeln. Aber wenn Sie nichts dagegen haben …«
    Wieder wechselten sie Blicke. »Ist ganz schön tief – ungefähr fünfunddreißig Meter. Sind Sie schon mal so weit unten gewesen?«
    »Ja.« Einmal, als er sich auf die Tauchprüfung vorbereitet hatte. Einmal mußte man tief tauchen. Gefallen hatte ihm das nicht. Und seinem Körper auch nicht.
    Die zwei Taucher waren unsicher. Wie sollten sie einem Chief Inspector widersprechen?
    »Ich betrachte das hier als Tatort. Und ich würde mich gern umsehen.«
    »Na schön.«
    Die chinesische Auffassung vom Leben war der englischen genau entgegengesetzt: Die Arbeit rechtfertigt alles.
    Higgins hörte vom Boot aus zu. Nach fünf Jahren im Dienst war sein Kantonesisch ziemlich gut, auch wenn er mit starkem Akzent sprach. Genau das würde er mit nach Hause nehmen – eine Sprache aus dem pazifischen Raum. Irgend jemand würde ihn deswegen einstellen. Aber noch nicht jetzt. Er würde erst am 30. Juni abreisen, wenn er alles mitgenommen hatte, was dieser wundervolle Ort zu bieten hatte. Und jetzt, zwei Monate vor diesem Zeitpunkt, wollte er nicht riskieren, daß ein Chief Inspector während seiner Dienstzeit ertrank.
    Er hatte schon von Charlie Chan gehört, aber da war er nicht der einzige. Chan war Eurasier, und viele Leute sagten, er sei fanatisch. Wenn er ein bißchen geselliger gewesen wäre und sich den Befehlen seiner Vorgesetzten bereitwilliger gebeugt hätte, wäre er mit Sicherheit schon Superintendent gewesen. Trotzdem war es merkwürdig, daß ein Polizeibeamter bei der Bergung von Beweisstücken aus dem Meer half. Genau für diesen Zweck wurden nämlich Taucher ausgebildet.
    Chan hob den Blick und ertappte Higgins dabei, wie er ihn ansah. »Geradeaus, haben Sie gesagt, in Richtung Norden?«
    »Was meinen Sie?«
    »Die Route der Schmuggler – dieser Punkt hier liegt doch vermutlich genau auf ihrem Weg in die Volksrepublik China, oder?«
    Higgins war beeindruckt. »Ja, stimmt. Normalerweise flitzen sie in ungefähr eineinhalb Kilometer Abstand zur Küste vorbei. Daran hatte ich nicht gedacht.«
    Chan hob einen Arm, hielt ihn in Augenhöhe hoch und deutete hinüber nach China.
    »Dabei sind sie natürlich keine hundertvierzig Stundenkilometer gefahren, nicht mal annähernd. Denn wenn man einen so schweren Gegenstand hochhieven und über Bord werfen will, muß man auf fünf oder weniger Knoten verlangsamen. Immer vorausgesetzt, die haben überhaupt ein snake-head dafür verwendet. Ganz offensichtlich wollten sie so nahe wie möglich an die Grenze zu China herankommen, ohne sie zu überschreiten. Höchstwahrscheinlich haben sie die wichtigsten Teile als letzte über Bord geworfen – denn je näher sie an Chinas Grenze kämen, desto geringer wäre die Gefahr einer Entdeckung.«
    »Andere Teile?«
    »An

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