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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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dem Tatort in Mongkok hat sich kaum etwas befunden. Sie haben drei erwachsene Menschen zu Tode gefoltert, aber wir haben keine Seile, keine Handschellen, nicht den geringsten Hinweis auf einen Kampf gefunden. Nur einen Bottich voll mit Hackfleisch mitten in einem leeren Lagerhaus. Und auf dem Bottich waren natürlich keine Fingerabdrücke. Wenn jemand nicht so dumm gewesen wäre, die Köpfe in einen Plastiksack zu stecken, der dann oben auf dem Meer schwamm, wäre es das perfekte Verbrechen gewesen. Man hätte die Körper nicht ohne die Köpfe identifizieren können. Die Gerichtsmedizin hat eine Weile gebraucht, um festzustellen, daß es sich tatsächlich um drei Opfer handelte, nicht um zwei oder vier.«
    »Verstehe.«
    Higgins streckte das Gesicht in die Sonne. Wie konnte man sich nur an einem solchen Tag Gedanken über ein paar kleine Morde machen?
     
    Die Taucher liehen Chan einen Anzug und eine vollständige Ausrüstung mit Maske und Flossen. Sie hatten keinen übrigen Tauchcomputer; Chan würde also in der Nähe der anderen bleiben müssen.
    Chan legte den Taucheranzug an und setzte sich auf eine Bank auf der Seite der Plattform, während ein Mitglied der Mannschaft ihm mit der Sauerstoffflasche half. Er sah den anderen beiden dabei zu, wie sie die Hand auf Maske und Mundstück legten und sich nach hinten über die Bank ins Meer fallen ließen. Chan steckte das Mundstück in den Mund und begann, die Luft aus der Flasche zu atmen, während er sich nach hinten lehnte.
    Dann fiel er wie in Zeitlupe durch kühle Stränge durchsichtiger Seide. Die Taucher unter ihm waren schon fast auf dem Boden. Sie selbst waren in der Ferne nur verschwommen auszumachen, aber die Luftblasen, die an die Oberfläche stiegen, halfen Chan, ihre Spur zu verfolgen. Bei jedem dritten Atemzug drückte er die Nase zu und preßte mit der Lunge Luft durch die Eustachische Röhre, die Nase mit Ohren und Hals verband. Der Druck wurde jeden Meter um eine Atmosphäre stärker. Wenn der Taucher nicht auf ständigen Druckausgleich achtete, preßte es seine Lunge zusammen wie eine Papiertüte. Chan erzwang sich einen Weg durch den Teer Tausender Zigaretten. Es war schon über ein Jahr her, daß er das letzte Mal getaucht war.
    In fünfzehn Meter Tiefe war das Meer kühler und der Druck der Wassersäule über ihm stärker zu spüren. Es wurde anstrengender, die Luft aus dem Mundstück zu saugen, und die Glieder wurden schwerer.
    In fünfundzwanzig Meter Tiefe wurde es kalt. Die Gelenke wurden unter dem Gewicht Tausender Tonnen Wasser zusammengepreßt, Stickstoff aus dem Blut in Muskeln, Gelenke und Knochen gedrückt. Er hatte keine Schmerzen, aber er wußte, daß sein Körper eigentlich nicht für hier unten geschaffen war.
    In fünfunddreißig Meter Tiefe mußte er die Lampe anschalten. Zwar drang das Sonnenlicht noch herunter, aber es war schwach, matt und irgendwie fremd in dieser andersartigen Welt. Als er einen Blick auf seinen Druckmesser warf, sah er, daß er die Luft zehnmal schneller verbrauchte als in geringerer Tiefe, weil auch sie zusammengedrückt wurde. Die Menge, die die Lungen an der Oberfläche füllte, wurde in dieser Tiefe auf die Größe eines Golfballs zusammengepreßt.
    Das Licht seiner Lampe wies ihm den Weg zu den Luftblasen, die wie kristallene Zweige aus den Mündern der anderen Taucher aufstiegen. Als er näher herankam, entdeckte er eine unnatürlich regelmäßige Form gleich neben ihnen, von der ein einzelnes orangefarbenes Seil zu der Markierungsboje hinaufging, die die jungen Polizeitaucher gleich nach der Entdeckung angebracht hatten.
    Die Lichtbrechung ließ alles größer erscheinen, als es ohnehin schon war. Chan hatte sich informiert: Um Knochen von der Größe eines menschlichen Beckens zu zerstampfen, war ein Elektromotor mit vier Pferdestärken nötig, und der Trichter zum Mahlwerk mußte an der schmalsten Stelle über dreißig Zentimeter dick sein. Mit dem schweren Motor, dem großen Trichter, einem gußeisernen Sockel, der die Vibrationen abdämpfte, und einer breiten Öffnung unten, aus der das Hackfleisch kam, mußte die Maschine fast einen Meter fünfzig hoch sein und mehr als vierhundert Pfund wiegen. Sie ragte schräg aus dem Meeresboden, und die Taucher schwebten daneben. Der Trichter verdoppelte die Höhe des Gerätes.
    Die Taucher hielten fragend Zeigefinger und Daumen zusammen. Chan erwiderte das Zeichen, um ihnen zu sagen, daß alles in Ordnung sei. Dann schwamm er zu dem Trichter und schaute

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