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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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die hohe Treppe zu den naturwissenschaftlichen Instituten hinauf.
     
    Er zeigte dem Wachmann vor den Labors für Strahlentechnik seinen Polizeiausweis. Das orangefarbene Strahlungswarnzeichen war überall angebracht. Ganz, als reiche das noch nicht aus, befanden sich darunter noch ein Totenkopf und Warnungen in Englisch und Chinesisch. Zu dem Wachmann an der Tür kamen großgewachsene, durchtrainierte Engländer, die jeweils zu zweit in regelmäßigen Abständen auf dem Flur standen. Cuthbert ging kein Risiko ein.
    Chan wurde zum Raum 245 geführt. Vivian Ip, eine dreiunddreißigjährige Wissenschaftlerin mit kurzen schwarzen Haaren und winzigen Diamantsteckern in den Ohren, beugte sich über einen Bleischirm. Die Arme hatte sie in zwei Zylindern, die sich wie die Falten einer Ziehharmonika zusammenschieben ließen, in einen Glaskasten führten und in verschiedenen Stahlinstrumenten endeten, die dazu dienten, wie die menschliche Hand zu funktionieren. Sie grüßte Chan, der ihr zusah, wie sie mit einem Pinsel und weißem Puder hantierte.
    »Das ist das Merkwürdigste, was ich je in einem strahlentechnischen Labor habe machen müssen.«
    Auf der anderen Seite des Bleischirms erkannte Chan den Koffer, den er das erste Mal auf dem Meeresgrund gesehen hatte. Der Deckel stand auf; der Inhalt lag daneben – drei der modernsten Kleinwaffen der Welt: eine tschechische Skorpion, eine israelische Uzi, eine italienische Beretta. Daneben drei Splitterhandgranaten. Auf der einen Seite befand sich ein langes, schmales Bleikästchen, auf der anderen Seite ein kleiner Block aus reinem Gold.
    Chan starrte die Bleischatulle an, in der sich, das wußte er, ein Riegel Uran 235 befand, das angereicherte Isotop, das Higgins und die beiden Taucher umgebracht hatte. Das Kästchen wirkte ziemlich harmlos; man konnte sich vorstellen, daß ein Musikinstrument darin lag, vielleicht eine Querflöte oder eine Klarinette. Chan sah sich die Skorpion genauer an. Sie war schwarz und hatte eine dicke Schnauze; normalerweise gehörte ein langes Magazin mit zwanzig Schuß Munition dazu, die innerhalb von zwanzig Sekunden abgefeuert werden konnten. Das einzige Problem der modernen Waffentechnologie bestand darin, Platz für all die Munition zu finden. Wenn dieses Problem endlich gelöst wäre, könnte ein unartiges Kind die ganze Menschheit mit einer solchen Maschinenpistole auslöschen.
    Chan hatte noch nie eine Skorpion in Hongkong gesehen, aber das Sprichwort, daß Geld nur auf das Beste aus ist, galt nicht nur für England, sondern auch für China.
    Die Uzi unterschied sich von der Skorpion nur insofern, als sie ein bißchen weniger brutal aussah als diese.
    Er wandte sich einem anderen Gegenstand zu.
    »Haben Sie schon eine Ahnung, was das ist?« fragte er und deutete auf etwas Rotes, Formloses, das ungefähr so groß wie ein Taschenbuch war.
    »Nein. Es behält jede Form bei, die man ihm gibt, und es ist stark verstrahlt. Im Augenblick kann ich es nicht untersuchen.«
    Chan betrachtete erstaunt den Puder in dem Kasten. »Ich hab’ gedacht, Sie arbeiten mit Laser?«
    Vivian deutete mit dem Kopf auf ein Gerät aus schimmerndem Stahl mit einem langen, schwarzen Lauf, das auf einem massiven Stativ befestigt war. Die Linse daran glänzte wie ein Auge.
    »LASER steht für Light Amplification through Stimulated Emission of Radiation – Lichtverstärkung durch stimulierte Emission von Strahlung. Die Wellenlänge des Lichts wird mittels Argonionen kontrolliert. Ich würde mein letztes Geld verwetten, daß die keinerlei Wirkung auf Uran 235 hätten. Alle anderen, mit denen ich mich darüber unterhalten habe, sind der gleichen Meinung. Aber es gibt keine Literatur darüber, und ich möchte es auch nicht ausprobieren. Sie etwa?«
    Chan fielen die beiden Taucher im Krankenhaus wieder ein.
    »Nein.«
    »Genau. Also hab’ ich mir gedacht, ich greife auf steinzeitliche Methoden zurück.«
    Während sie sprach, glitt der Pinsel aus dem Stahlgreifer.
    »Scheiße.«
    »Darf ich mal?«
    Vivian zog die Hände aus den Zylindern. »Klar, Sie haben mehr Übung.«
    Chan schob die Hände in den Kasten und versuchte, den Puder für die Feststellung der Fingerabdrücke mit dem Pinsel auf den Griff der Skorpion aufzutragen. Der Pinsel fiel aus dem Stahlgreifer.
    »Scheiße.« Er zog die Hände wieder heraus.
    Vivian Ip legte den Kopf ein wenig schräg. »Nur aus Neugierde: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß überhaupt noch Fingerabdrücke auf dem Ding sind, nachdem

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