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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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fünfziger Jahren enorm verbessert. Ja, aber für eine einfache Bombe brauchen Sie nichts anderes als ausreichend Uran 235.« Sie sah ihn an. »Für eine Drohung reicht es, Beweise dafür zu haben, daß man ungefähr fünfundzwanzig Kilo angereichertes Uran 235 besitzt. Das Zeug, das Sie gefunden haben, ist fast das beste, was man kriegen kann.«
    »Und wieviel ist in der Bleischatulle?«
    »Ungefähr drei Kilo.«
    Sie sahen einander an.
    »Woher könnte es stammen?«
    Sie starrte in ihren Styroporbecher, dann sah sie Chan an.
    »Theoretisch aus einer ganzen Reihe von Industriestaaten: Frankreich, England, Indien, Pakistan, China, Israel, die Vereinigten Staaten – die Liste wird alle paar Jahre länger.«
    »Und praktisch?«
    »In der Praxis gehört die Entwicklung von Atomwaffen zu den wenigen Gebieten, auf denen den meisten Regierungen tatsächlich Geheimhaltung gelungen ist. Sogar demokratische Regierungen bringen illegal Wissenschaftler oder andere Personen um, die Atomgeheimnisse verraten, ganz zu schweigen von Leuten, die Uran 235 verkaufen. Also müßten Sie sich schon nach einem Land umsehen, in dem das Sicherheitssystem völlig zusammengebrochen ist.«
    »Rußland?«
    »Es heißt, daß man dort alles kaufen kann, wenn man nur die richtigen Kontakte hat. Wirklich alles. Selbst waffenfähiges Uran und Plutonium.«
    »Und welche Leute haben die richtigen Kontakte?«
    »Was fragen Sie da mich, Chief Inspector? Das hört sich doch eher nach einem Problem für die Polizei an. Aber eins ist mir aufgefallen: Auf den ersten Blick sieht das Zeug, das Sie in dem Koffer auf dem Meeresgrund gefunden haben, die Waffen, das Uran und so weiter, ziemlich beeindruckend aus. Aber wenn man ein bißchen drüber nachdenkt, ist das alles doch nur Schrott.«
    »Schrott?«
    »Ja. Bei den Waffen fehlt die Munition, und außerdem machen drei Waffen noch kein Arsenal aus. Und Splitterhandgranaten lassen sich sicher auf jedem Schwarzmarkt kaufen. Das Uran ist exotisch, aber jemandem, der eine Bombe bauen möchte, nützt es nichts. Abgesehen vom Gold hat sich in dem Koffer nur illegaler und höchst exotischer Schrott befunden. Es war bloß vernünftig, das Zeug ins Meer zu werfen. Und falls es kein Schrott gewesen ist, dann könnte es sich doch um Muster gehandelt haben, oder?«
    »Muster?«
    »Warum nicht? Stellen Sie sich doch mal den Vertreter einer kriminellen Organisation vor; der zeigt den Leuten Muster der Sachen, die er ausgewählten Kunden beschaffen kann. Vermutlich brauchen doch auch Gangster ein Vertriebsnetz, oder?«
    Chan hörte konzentriert zu. Ein kluger Kopf war etwas Wunderbares. Es machte ihn stolz, daß sie eine Chinesin war, und nervös, daß es sich um eine Frau handelte. Außerdem war er ein bißchen beunruhigt darüber, daß ihre intellektuellen Fähigkeiten mit ihrer liberalen Ausbildung in Amerika zu tun zu haben schienen.
    Er verspürte das Bedürfnis, kantonesisch mit ihr zu sprechen.
    »Es ist mir eine Ehre, von Ihrem Wissen profitieren zu dürfen. Ist Ihnen im Zusammenhang mit diesem Fall noch etwas anderes eingefallen?«
    Sie musterte ihn einen Moment mit ihren flinken, schwarzen Augen. »Der Sack, in dem Sie die Köpfe gefunden haben – haben Sie gesagt, das Plastik war durchsichtig? «
    Er nickte.
    »Also war es den Leuten, die die Körper so sorgfältig durch den Fleischwolf gedreht haben, letztlich egal, ob man die Köpfe findet?«
    »Daran habe ich auch schon gedacht. Allerdings waren die Köpfe verstümmelt.«
    »Und trotzdem konnten Sie mit ihrer Hilfe Dentalprofile erstellen?«
    Chan nickte wieder. Die Sache war wirklich ein Rätsel.
    Von Vivians Büro aus rief er Aston an, der ihm sagte, es sei gerade ein neuer Mord entdeckt worden; ein »typischer Mongkok-Mord, genau das Richtige für Sie«, erklärte Aston.

DREISSIG
    Niemand machte sich große Gedanken darüber, wenn Handlanger der Triaden sich gegenseitig umbrachten. Wahrscheinlich, dachte Chan, war da so etwas wie Selbstregulierung am Werk, wie bei den Ratten. Wenn jemand Buch darüber geführt hätte, wie viele Mitglieder die Triaden in Mongkok jeweils hatten, hätte man ziemlich genau sagen können, wann es so viele waren, daß ein Ausleseprozeß einsetzen mußte.
    Chan kam gerade rechtzeitig, um seinem Assistenten dabei zuzusehen, wie dieser eine Kreidelinie um die Leiche zeichnete.
    »Klassisch«, sagte Aston.
    Die Leiche lag, Gesicht nach oben, auf einem kleinen, betonierten Kinderspielplatz zwischen Oak, Anchor und Palm Street. Shorts

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