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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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noch vor Abend tödten wird, herankommt – so ruhte auch sie unter einem Lichtstrahl, der im Vergleich mit dem gewohnten Himmel nicht frostig war und der Instinkt, der sie an dessen Kürze hätte mahnen sollen, flüsterte ihr nur zu, sich seines Lächelns zu freuen.
    »Du hast schöne Locken,« begann Glaukus, »sie waren sicherlich einst das Entzücken einer Mutter.«
    Nydia seufzte; es schien ihr, daß sie nicht als Sklavin geboren worden sei, aber stets vermied sie, ihrer Herkunft zu erwähnen; denn mochte diese niedrig oder hoch sein, so war jedenfalls gewiß, daß weder ihren Wohlthätern noch sonst Jemand an dieser fernen Küste etwas Näheres über ihre Geburt je bekannt war. Ein Kind des Schmerzens und des Geheimnisses kam und verschwand sie wie ein Vogel, der für einen Augenblick in unser Zimmer fliegt; wir sehen ihn einige Zeit vor unsern Augen flattern, aber wir wissen nicht, wohin er eilt, oder von welchem Himmelsstriche er herkömmt.
    Nydia seufzte und sagte nach kurzer Pause, ohne auf die Bemerkung zu antworten: »Aber flechte ich vielleicht zu viele Rosen in Deinen Kranz? Man sagt mir, die Rose sei Deine Lieblingsblume.«
    »Und möge sie es immer bleiben, meine Nydia, bei Allen, die eine dichterische Seele haben – sie ist die Blume der Liebe und der Feste; sie ist auch die Blume, die wir dem Stillschweigen und dem Tode weihen; sie blüht im Leben um unsere Stirne, so lange das Leben einen Werth hat, und wird auf unser Grab gestreut, wenn wir nicht mehr sind.«
    »Ach, könnte ich doch,« sagte Nydia, »statt dieses vergänglichen Kranzes Deinen Faden aus der Hand der Parzen nehmen und dort die Rosen einflechten!«
    »Hübsches Kind! Dein Wunsch ist einer so hermetisch tönenden Stimme würdig, er ist im Geiste des Gesanges ausgesprochen, und was für ein Loos mir auch aufbewahrt sein mag, ich danke Dir.«
    »Was für ein Loos! Ist nicht schon bestimmt, daß alles Schöne und Glänzende Dir zufallen soll? Mein Wunsch war unnöthig. Die Parzen werden so zärtlich gegen Dich sein, als ich es wäre.«
    »Mein Glück in der Liebe ausgenommen, Nydia, möchte das denn doch nicht der Fall sein! So lange die Jugend währt, kann ich mein Vaterland auf eine kurze Zeit vergessen. Aber welcher Athener kann in seinem reiferen Mannesalter an Athen denken, wie es war, und mit seinem Glücke zufrieden sein, während Athen gefallen ist – gefallen für immer.«
    »Und weshalb für immer?«
    »Wie die Asche nicht wieder angezündet werden, wie einmal erstorbene Liebe nicht wieder aufleben kann, so ist auch die Freiheit, wenn sie einmal von einem Volke gewichen ist, nie wieder zu erlangen. Aber sprechen wir nicht von Dingen, die für Dich nicht passen.«
    »Für mich, – o, Du irrst. Auch ich habe meine Seufzer für Griechenland; meine Wiege schwankte am Fuße des Olympos; die Götter haben den Berg verlassen, aber die Spuren ihres Aufenthaltes kann man noch finden – in den Herzen ihrer Anbeter, in der Schönheit ihres Landes. Man sagt mir, es sei schön, und ich selbst habe seine Luft gefühlt, gegen welche die von Pompeji rauh ist – seine Sonne, gegen welche dieser Himmel frostig erscheint. O sprich mit mir von Griechenland. Ein so armes unwissendes Kind ich auch bin, so kann ich Dich doch verstehen, und mir däucht, hätte ich länger an jenen Küsten gelebt, währe ich ein griechisches Mädchen gewesen, deren glückliche Bestimmung ist, zu lieben und geliebt zu werden, ich selbst hätte können meinen Geliebten zu einem neuen Marathon, einem neuen Platäa bewaffnen. Ja, die Hand, die jetzt Rosen windet, würde Dir den Olivenkranz geflochten haben!«
    »Wenn ein solcher Tag käme!« rief Glaukus, auf die Begeisterung der blinden Thessalierin eingehend und sich halb aufrichtend. – »Doch nein, die Sonne ist hinunter und die Nacht befielt uns nur zu vergessen – und heiter zu sein in der Vergessenheit; – flechte nur die Rosen fort!«
    Aber der Athener hatte die letzten Worte mit einem wehmütigen Tone erzwungener Heiterkeit gesprochen und versank in düstere Träumereien, aus denen er erst einige Minuten später durch die Stimme Nydia's erweckt wurde, die mit leisem Tone folgendes Lied sang, das sie Glaukus einmal gelehrt hatte:
    1.
Wer möchte nach dem Lorbeer geizen,
Den sich die Vorwelt wand?
Wen möcht' ein Kranz am Grabe reizen,
In das der Ruhm verschwand?
Wer möchte die Entschlaf'nen wecken,
Ein Blatt im Todtenhaine schrecken?
Der Lorbeerzweig ist ihnen,
Laßt ihn am Stamme grünen!
Nur dieser Rose

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