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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Peristyl öffnete, und nachdenkend auf sein Ruhebett niedergelassen, als er fühlte, daß etwas schüchtern sein Kleid berührte und als er sich umwandte, sah er Nydia vor sich stehen, und ihm eine Hand voll Blumen emporreichen – eine zarte und zweckmäßige Friedensgabe; – ihre dunklen zu ihm aufgerichteten Augen strömten von Thränen.
    »Ich habe Dich beleidigt,« sagte sie schluchzend, »und zwar zum erstenmale. Ich möchte übrigens lieber sterben, als Dich einen Augenblick betrüben – sage, daß Du mir verzeihst. Sieh, ich habe die Kette wieder aufgehoben und sie angelegt; ich will mich nie von ihr trennen, denn sie ist Deine Gabe.«
    »Meine theure Nydia,« antwortete Glaukus, hob sie auf und küßte sie auf ihre Stirne, »denke nicht mehr daran. Aber warum, mein Kind, wurdest Du so plötzlich ärgerlich? Ich vermochte die Ursache nicht zu errathen!«
    »Frage nicht,« sagte sie stark erröthend, »ich bin ein Geschöpf voll Gebrechen und Mängel; bin ja nur ein Kind, wie Du so oft sagst, und kannst Du von einem Kinde für eine jede Thorheit einen Grund erwarten?«
    »Aber bald, hübsches Mädchen, wirst Du kein Kind mehr sein, und wenn Du willst, daß wir Dich als eine Erwachsene behandeln, so mußt Du diese sonderbaren Stürme der Leidenschaft beherrschen lernen. Glaube nicht, daß ich Dich zanke, nein, ich spreche nur zu Deinem eigenen Wohle.«
    »Es ist wahr,« erwiderte Nydia, »ich muß mich beherrschen lernen, ich muß mein Herz verbergen, unterdrücken. Das ist die Aufgabe und die Pflicht eines Weibes; seine Tugend, däucht mir, ist Heuchelei.«
    »Selbstbeherrschung ist keine Falschheit, meine Nydia, und diese Tugend ist dem Manne so nothwendig wie dem Weibe; sie ist die wahre Senatorentoga, das Merkmal der Würde, welche sie bedeckt.«
    »Selbstbeherrschung, Selbstbeherrschung! schön, schön, was Du sagst, ist richtig! Wenn ich Dich anhöre, Glaukus, werden meine wildesten Gedanken ruhig und sanft, und eine köstliche Heiterkeit senkt sich auf mich herab. Berathe und führe mich immer, mein Erretter!«
    »Dein liebevolles Herz wird Dein bester Führer sein, Nydia, wenn Du gelernt hast, Dein Herz zu regeln.«
    »Ach, das wird nie geschehen,« seufzte Nydia sich die Thränen wegwischend.
    »Sage das nicht, nur der erste Versuch ist schwer.«
    »Ich habe viele erste Versuche gemacht,« antwortete Nydia in ihrer Unschuld. »Aber Du, mein Lehrer, findest es so leicht, Dich zu beherrschen, kannst Du Deine Liebe für Ione verbergen, oder auch nur unter gewisse Regeln bringen?«
    » Liebe , theure Nydia, ach! das ist etwas ganz Anderes,« antwortete der junge Mentor.
    »Das dachte ich,« entgegnete Nydia mit wehmütigem Lächeln. »Glaukus, willst Du meine armen Blumen annehmen? Mache mit ihnen, was Du willst – Du kannst sie Ione geben, wenn Du willst,« setzte sie nach kurzem Bedenken hinzu.
    »Nein, Nydia,« antwortete Glaukus freundlich, da er in diesen Worten eine gewisse Eifersucht sah, obgleich er es nur für die Eifersucht eines eitlen und empfindlichen Kindes hielt, »ich will Deine schönen Blumen Niemand geben. Da setz' Dich hin und flechte sie in einen Kranz; ich will ihn heute Nacht tragen; es ist nicht der erste, den diese zarten Finger für mich geflochten haben.«
    Voll Entzücken setzte sich das arme Mädchen neben Glaukus nieder; aus ihrem Gürtel zog sei einen Knäuel der vielfarbigen Fäden, oder vielmehr schmalen Bändchen, deren man sich beim Flechten von Kränzen bediente, und die sie, da dieses Flechten ihre eigentliche Berufsarbeit war, beständig bei sich trug. Schnell und anmuthig machte sie sich ans Geschäft. Auf ihren jungen Wangen waren die Thränen bereits vertrocknet, ein schwaches, aber glückseliges Lächeln spielte um ihre Lippen; – einem Kinde gleich fühlte sie in der That nur die Freude der gegenwärtigen Stunde. Sie war mit Glaukus wieder ausgesöhnt, er hatte ihr verziehen – sie saß neben ihm – er spielte zärtlich mit ihrem seidenen Haare – sein Athem fächelte ihre Wange – Ione, die grausame Ione war nicht da, Niemand sonst begehrte, Niemand theilte seine Aufmerksamkeit. Ja, sie war glücklich und ihres Kummers nicht mehr eingedenk; es war einer der wenigen Augenblicke in ihrem kurzen und unruhigen Leben, die im Herzen aufzubewahren und ins Gedächtnis zurückzurufen so viele Wonne gewährte. Wie der Schmetterling, von der Wintersonne angelockt, sich eine kurze Weile an dem plötzlichen Lichte wärmt, ehe der Wind erwacht und der Frost, der ihn

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