Die letzten Tage von Pompeji
saßen; sie hatte noch nie gehört, wie diese Stimme, die so liebreich gegen sie war, so unendlich sanfter mit einer Andern sprach. Der Schlag, der ihr Herz bei der Kunde von Glaukus Liebe zermalmte, hatte sie anfänglich nur betrübt und erstarrt; allmählig jedoch trat ihre Eifersucht in einer wilderen und trotzigeren Gestalt auf, nahm etwas von dem Haß an, flüsterte von Rache. Wie man den Wind nur die grünen Blätter am Zweige bewegen sieht, während das Land, das verwelkt und dürr, zusammengedrückt und mit Füßen getreten, auf dem Boden lag, bis Saft und Leben daraus entschwanden, plötzlich aufgewirbelt wird – jetzt hierhin – jetzt dorthin – ohne Rast und ohne Ruhe: so hat die Liebe, welche den Glücklichen und Hoffnungsvollen besucht, nur Frische auf ihren Schwingen, ihre Heftigkeit ist nur ein Spiel; aber das Herz, das von den grünen Zweigen des Lebens abgefallen ist, das keine Hoffnung in sich selbst, keinen Sommer in seinen Adern trägt, wird von demselben Wind, der seine Brüder nur liebkost, zerrissen und umhergewirbelt; es hat keinen Zweig, um sich daran zu halten – wird von Pfad zu Pfad geweht, bis die Winde sich legen oder bis es für immer in den Schlamm niedergetreten wird.
Die freundlose Kindheit Nydia's hatte ihren Charakter frühzeitig gehärtet; vielleicht hatten auch die Scenen der sündhaften Schwelgereien, denen sie anscheinend unbeschädigt beigewohnt, ihre Leidenschaften gereift, obwohl kein Flecken auf ihre Reinheit gefallen war. Im ersten Augenblicke mochten sie die Orgien Burbo's nur angeekelt, die Gastmahle des Egypters nur erschreckt haben; aber dennoch hatte vielleicht dieser Hauch von Befleckung in der Brust, über die er so leicht hingekreist, seine Samenkörner zurückgelassen. Da zudem Dunkelheit die Träumereien der Einbildungskraft begünstigt, so trug vielleicht gerade ihre Blindheit dazu bei, die Liebe des unglücklichen Mädchens mit wilden und wahnsinnigen Visionen zu nähren. Die Stimme des Glaukus war die erste gewesen, die ihrem Ohre melodisch erklungen; seine Güte machte einen tiefen Eindruck auf ihr Gemüth; als er im vorigen Jahre Pompeji verließ, hatte sie jedes seiner Worte als einen kostbaren Schatz in ihrem Herzen aufbewahrt, und wenn ihr irgend Jemand sagte, dieser Freund und Gönner des armen Blumenmädchens sei der glänzendste und anmuthigste Lebemann in Pompeji, so empfand sie in dem treuen Andenken an ihn einen wohlgefälligen Stolz. Selbst das Geschäft, das sie sich auferlegte, seine Blumen zu pflegen, trug dazu bei, ihn in ihrem Gedächtnisse zu erhalten; sie brachte ihn mit Allem, was einen zauberhaften Eindruck auf sie ausübte, in Verbindung, und wenn sie sich geweigert hatte, zu sagen, unter welchem Bilde sie sich Ione vorgestellt habe, so geschah dies vielleicht theilweise deshalb, weil sie alles Glänzende und Sanfte in der Schöpfung bereits an das selbstgeschaffene Bild des Glaukus geknüpft hatte. Hat je einer meiner Leser in einem Alter gelebt, bei dessen Rückerinnerung er jetzt lächelt – einem Alter, in welchem die Phantasie stärker war als die Vernunft, so möge er sagen, ob nicht diese Liebe bei all ihrer wunderlichen und verzweigten Zartheit empfänglicher für Eifersucht war, denn jede andere und spätere Leidenschaft? Nach der Ursache forschte ich hier nicht; aber ich weiß, daß es gewöhnlich der Fall ist.
Als Glaukus nach Pompeji zurückkehrte, war Nydia um ein Jahr älter geworden; dieses Jahr mit seinen Leiden, seiner Einsamkeit, seinen Prüfungen hatte ihren Geist und ihr Herz gewaltig entwickelt, und als der Athener sie bewußtlos an seine Brust zog – der Seele wie den Jahren nach sie noch immer für ein Kind haltend – als er ihre zarte Wange küßte und seinen Arm um ihre zitternde Gestalt schlang, da fühlte Nydia plötzlich und wie durch Offenbarung, daß die Gefühle, die sie lange und unschuldig genährt hatte, Liebe seien. Verurtheilt, von Glaukus aus der Tyrannei befreit zu werden – verurtheilt, unter seinem Dache Schutz zu finden – verurtheilt, zwar nur für so kurze Zeit, dieselbe Luft einzuathmen und im ersten Stadium tausend glücklicher und dankbarer Gefühle eines überströmenden Herzens zu hören, daß er eine Andere liebe – verurtheilt, an diese Andere als Botin und Dienerin abgeordnet zu werden, mit Einemmale jenes gänzliche Nichts zu fühlen, das sie selbst war, und das sie immer bleiben mußte, das aber bis daher ihr junge Geist nicht geahnt hatte – jenes gänzliche Nichts für
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