Die letzten Tage von Pompeji
möge Dein Herz verwelken und verbrennen, möge Deine letzte Stunde Dir die Prophetenstimme der Saga des Vesuvs zurückrufen. Und Du,« setzte sie hinzu, sich hastig gegen Ione wendend und ihren rechten Arm aufhebend, als Glaukus ihr ungestüm in die Rede fiel.
»Hexe,« rief er, »halt ein, mich hast Du verflucht, und ich stelle mein Schicksal den Göttern anheim – ich trotze Dir und verachte Dich: aber sprich nur ein Wort gegen jene Jungfrau und ich mache den Fluch auf Deinen elenden Lippen zu Deinem Todesgestöhn – hüte Dich!«
»Ich bin fertig,« erwiderte die Hexe wild lachend, »denn mit dem Fluch über Dein Geschick, ist auch die, welche Dich liebt, verflucht; und das um so mehr, als ich ihre Lippen Deinen Namen nennen hörte, und nun weiß, mit welchen Worten ich Dich den Dämonen zu übergeben habe. Glaukus – Du bist verflucht!«
Mit diesen Worten wandet sich die Hexe vom Athener ab, kniete neben ihrem verwundeten Liebling, den sie vom Herde wegnahm, nieder und würdigte ihre Gäste hinfort keines Blickes mehr.
»O Glaukus,« sprach Ione voll Entsetzen, »was haben wir gethan, laß uns von dieser Stätte eilen! der Sturm hat sich gelegt. Gute Frau, vergib ihm – nimm Deine Worte zurück – er gedachte sich bloß zu verheidigen – empfange diese Friedensgabe, um das, was Du gesagt zu widerrufen.« Damit beugte sich Ione und legte ihre Börse in den Schooß der Hexe.
»Hinweg,« rief diese bitter; »hinweg, die einmal ausgesprochene Verwünschungen können nur die Parzen lösen – fort!«
»Komm, Theure,« bat Glaukus ungeduldig, »glaubst Du, die Götter über oder unter uns hören das unmächtige Rasen des Wahnsinns? – Komm!«
Lang und laut warf das Echo er Höhle das fürchterliche Lachen der Saga – die einzige Antwort, zu der sich die Alte bequemte – zurück.
Die Liebenden athmeten freier als sie in die frische Luft traten – aber die Scene, deren Zeugen sie gewesen, die Worte und das Lachen der Hexe hatten in Ione's Herz ein Gefühl der Bangigkeit zurückgelassen, dessen sich selbst Glaukus nicht gänzlich zu erwehren vermochte. Der Sturm hatte sich gelegt; nur dann und wann rollte ein schwacher Donner durch die dunkeln Wolken in der Ferne, oder ein Blitzstrahl trat für einen Augenblick der Alleinherrschaft des Mondes entgegen. Mit einiger Mühe erreichten sie die Straße, wo sie ihren Wagen, der zur Heimkehr genügend ausgebessert, so wie den Carrucarius trafen, der laut den Herkules befragte, wohin denn seine Herrschaft verschwunden sei.
Vergebens bemühte sich Glaukus die erschöpften Lebensgeister Ione's aufzuheitern, und fast ebensowenig gelang es ihm, selbst wieder in seine angeborene heitere Stimmung zu kommen. Bald gelangten sie an das Stadtthor, und als es ihnen geöffnet wurde, trat ihnen eine kleine, von Sklaven getragene Sänfte in den Weg.
»Es ist zu spät um ausgelassen zu werden,« rief die Schildwache dem Inhaber der Sänfte zu.
»Nicht doch,« antwortete eine Stimme, welche die Liebenden wohl erkannten und mit Entsetzen hörten; »ich muß nach der Villa des Markus Polphius und werde bald wieder zurückkehren. Ich bin Arbaces, der Egypter.«
Hiermit waren die Bedenklichkeiten der Schildwache beseitigt, und die Sände wurde dicht neben dem Wagen, in welchem das junge Paar saß, vorbeigetragen.
»Arbaces zu dieser Stunde, und wohl kaum wieder genesen – wohin und wozu kann er die Stadt verlassen?« fragte Glaukus.
»Ach,« antwortete Ione in Thränen ausbrechend, »meine Seele empfindet immer mehr und mehr das Vorgefühl eines Unglücks. Beschützt uns, o Götter, oder wenigstens,« murmelte sie bei sich selbst, »beschützt meinen Glaukus!«
Zehntes Kapitel.
Der Herr vom brennenden Gürtel und seine Vertraute – Das Schicksal schreibt seine Weissagungen mit rothen Buchstaben, aber wer liest sie.
Arbaces hatte nur gewartet, bis ihm das Aufhören des Sturmes gestattete, unter dem Dunkel der Nacht die Saga des Vesuvs aufzusuchen. Von denjenigen seiner zuverlässigsten Sklaven getragen, denen er bei allen seinen geheimeren Unterredungen sich anzuvertrauen gewöhnt war, lag er ausgestreckt in seiner Sänfte und sein sanguinisches Herz überließ sich den Träumereien von gestillter Rache und erwiderter Liebe. Auf einrr so kurzen Strecke bewegten sich die Sklaven nicht viel langsamer als der gewöhnliche Schritt der Maulthiere; und so kam Arbaces bald am Eingange eines engen Pfades an, den die Liebenden nicht bemerkt hatten, und der an den dichten
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