Die letzten Tage von Pompeji
kamen am Hause Diomeds an und stiegen in Julia's Gemach hinab, wo die Nachtmahlzeit für sie bereit stund.
»Trink, Nydia, Du mußt kalt haben; die Luft war heute Nacht so schaurig, mir wenigstens ist das Blut noch ganz erstarrt.«
Und ohne sich zu bedenken, trank Julia den gewürzten Wein in langen Zügen.
»Du hast den Trank,« sagte Nydia, »gestatte mir, ihn in den Händen zu halten – wie klein das Flächschen ist! welche Farbe hat die Flüssigkeit?«
»Sie ist klar wie Krystall,« antwortete Julia und nahm den Trank zurück, »und Du könntest sie nicht von diesem Wasser unterscheiden. Die Hexe versichert mich, sie sei geschmacklos. So klein auch das Gläschen ist, genügt sein Inhalt doch, um die Treue des Geliebten für das ganze Leben zu fesseln. Man gießt die Flüssigkeit in irgend ein Getränk, und Glaukus wird nur durch die Wirkung erfahren, was er geschluckt hat.«
»Also dem Ansehen nach ganz wie dieses Wasser?«
»Ja, hell und farblos wie dieses. Wie klar es aussieht! gerade als wäre es der Extrakt aus vom Monde beschienen Thau. Heller Trank! wie leuchtest du auf meine Hoffnungen durch dein Krystalgefäß!«
»Und wie ist es verschlossen?«
»Nur durch einen kleinen Stöpsel – zieh ihn heraus – der Trank ist ganz geruchlos. Seltsam, das, was zu keinem Sinne spricht, über alle gebieten soll.«
»Ist die Wirkung augenblicklich?«
»Gewöhnlich – bisweilen tritt sie aber erst nach einigen Stunden ein.«
»Oh, wie lieblich ist dieser Geruch,« sagte Nydia plötzlich, indem sie eine kleine Flasche vom Tische nahm und sich über ihren duftenden Inhalt niederbeugte.
»Findest Du das? Die Flasche ist mit Edelsteinen von einigem Werth besetzt; gestern Morgen schlugst Du das Armband aus – wirst Du die Flasche annehmen?«
»Solche Wohlgerüche müssen es sein, um eine, die nicht sehen kann, an die großmüthige Julia zu erinnern – wenn die Flasche nicht zu kostbar ist –«
»Oh, ich habe tausend kostbarere, behalte sie, Kind.«
Nydia verneigte sich zum Zeichen der Dankbarkeit und steckte die Flasche in ihr Gewand.
»Und ist der Liebestrank,« fragte sie, »gleich wirksam, von wem er auch beigebracht werde?«
»Seine Kraft ist, wie man mich versichert, so groß, daß, selbst wenn ihn die häßlichste Hexe unter der Sonne reichte, Glaukus sie, und keine Andere für schön halten würde!«
Erwärmt vom Wein und der in ihrem Innern vorsichgehenden Reaktion, war Julia jetzt voll Leben und Wonne; sie lachte laut und sprach über hunderterlei Gegenstände, und erst als die Nacht sich stark dem Morgen näherte, rief sie ihre Sklavinnen und ließ sich ausziehen.
Als diese wieder entlassen waren, sagte sie zu Nydia: »Ich will diesen heiligen Trank nicht aus meiner Nähe lassen, bis die Stunde kommt, da ich ihn anwende. Lieg unter meinem Kopfkissen, glänzender Geist, und gib mir glückliche Träume.«
Mit diesen Worten legte sie das Fläschchen unter ihr Kissen. – Nydia's Herz klopfte gewaltig.
»Weshalb trinkst Du bloß dieses unvermischte Wasser, Nydia? Nimm von dem Wein daneben.«
»Ich habe ein wenig Fieber,« antwortete das blinde Mädchen, »und das Wasser kühlt mich. Ich will diese Flasche neben mein Bett stellen; das Wasser erfrischt in diesen Sommernächten, wenn der Thau des Schlafes nicht auf unsere Lippen fällt. Schöne Julia, ich muß Dich sehr früh verlassen – so will es Ione – vielleicht ehe Du wach bist: empfange deshalb jetzt meinen Glückwunsch.«
»Danke – wenn wir uns das nächstemal treffen, wirst Du wohl Glaukus zu meinen Füßen finden.«
Sie hatte sich niedergelegt, und Julia, von der Aufregung des Tages ermattet, schlief bald ein; aber unruhige und glühende Gedanken wälzten sich im Geist der Thessalierin und hielten sie wach. Sie horchte auf den ruhigen Athem Julia's und ihr an die feinsten Nüanen des Tones gewöhntes Ohr versicherte sie halb des tiefen Schlafes ihrer Gefährtin.
»Jetzt sei mir günstig, Venus,« sagte sie leise.
Behutsam stand sie auf und goß die wohlriechende Essenz aus dem Fläschchen, das ihr Julia geschenkt hatte, auf den Marmorboden – sie spülte es mehrmals sorgfältig mit Wasser aus, das neben ihr stund, fand sodann Julia's Bett leicht – denn die Nacht war für sie wie der Tag – und bemächtigte sich des Trankes. Julia rührte sich nicht, ihr Athem koste regelmäßig die glühende Wange des blinden Mädchens. Das Fläschchen öffnend goß Nydia seinen Inhalt in das ihrige, das ihn leicht faßte; füllte sodann
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