Die letzten Tage von Pompeji
wahres Abbild des Gottes seines Vaterlandes – voll Jugend und Liebe – fuhr Glaukus rasch der Gebieterin seines Herzens zu.
Genießet die Gegenwart so lang ihr könnt – wer vermag in der Zukunft zu lesen!
Als der Abend dunkelte, ließ sich Julie in ihrer Sänfte, die geräumig genug war, um auch ihre blinde Gefährtin aufzunehmen, nach den von Arbaces bezeichneten, ländlichen Bädern bringen. Ihrem von Natur leichten Sinne gewährte diese Unternehmung nicht sowohl Angst, als vielmehr Aufregung und vor Allem glühte sie bei dem Gedanken an ihren zukünftigen Triumph über die verhaßte Neapolitanerin.
Eine kleine heitere Gruppe stund an dem Thor der Villa, als die Sänfte nach dem besondern Eingang der für das weibliche Geschlecht bestimmten Bäder getragen wurde.
»So viel ich in der Dämmerung sehen kann,« bemerkte einer der dort Stehenden, »glaube ich die Sklavin des Diomed zu erkennen.«
»Ganz richtig, Klodius,« sagte Sallust, »es ist vermuthlich die Sänfte seiner Tochter Julia. Sie ist reich, mein Freund, warum bewirbst Du Dich nicht um sie?«
»Nun, ich hoffte früher, Glaukus würde sie heirathen. Sie verhehlt ihre Liebe zu ihm nicht und da er hoch und unglücklich spielt –«
»So würden die Sesterzen zu Dir übergegangen sein, weiser Klodius; es ist doch etwas Gutes um eine Frau – wenn sie einem Andern gehört.«
»Aber,« fuhr Clodius fort, »da Glaukus, wie ich höre, im Begriffe steht sich mit der Neapolitanerin zu vermählen, so muß ich wohl mein eigenes Glück bei der Verschmähten versuchen. Jedenfalls wird Hymens Lampe vergoldet sein und das Gefäß mich mit dem Geruch der Flamme aussöhnen. Nur dagegen werde ich mich verwahren, mein Sallust, daß Diomed Dich zum Depositar über seiner Tochter Vermögen mache.« [Fußnote: Es war ein altes römisches Gesetz, das Niemand eine Frau zur Erbin einsetzen durfte. Dieses Gesetz wurde dadurch umgangen, daß der Vater sein Vermögen einem Freunde vermachte, um es seiner Tochter auszufolgen; aber dieser Vormund oder Depositar konnte, wenn er wollte, das Geld behalten. Das Gesetz war übrigens schon vor der Zeit dieser Geschichte in Abgang gekommen. ]
»Haha, laß uns hineingehen, mein Commissator , Wein und Kränze harren unser.«
Ihre Sklavinnen nach demjenigen Theile des Hauses entlassend, der zu ihrem Aufenthaltorte angewiesen war, trat Julia mit Nydia in die Bäder und ging, die Anerbietungen der Aufwärterin ablehnend, durch eine besondere Thüre in den hinter dem Hause gelegenen Garten.
»Sie kommt sicherlich zu einem Stelldichein hieher,« sagte eine der Sklavinnen.
»Was geht Dich das an?« rief eine Aufseherin zornig, »sie zahlt für ein Bad und verschwendet den Saffran nicht. Solche Zusammenkünfte tragen am meisten ein. Horch, hörst Du nicht, daß die Wittwe Fulvia in die Hände klatscht! Lauf, dummes Ding, rasch!«
Den besuchteren Theil des Gartens vermeidend, langten Julia und Nydia an der vom Egypter bezeichneten Stelle an. Auf einem kleinen runden Grasplatze beschienen die Sterne die Bildsäule Silens; der heitere Gott lehnte sich auf ein Felsstück; der bacchische Luchs lag zu seinen Füßen und über seinen Mund hielt er mit ausgestrecktem Arm einen Büschel Trauben, die er, bevor er sie verzehrte, lächelnd zu beliebäugeln schien.
»Ich sehe den Zauberer nicht,« begann Julia sich umschauend; aber noch während sie sprach, trat der Egypter langsam aus dem benachbarten Gebüsch hervor und das Sternenlicht fiel bleich auf sein weites Gewand.
» Salve , süßes Mädchen! aber ha! wen hast Du da? Wir dürfen keine Begleiter haben!«
»Es ist nur das blinde Blumenmädchen, weiser Zauberer; sie ist ebenfalls eine Thessalierin.«
»Ah, Nydia,« sagte der Egypter, »ich kenne sie wohl.«
Nydia fuhr schaudernd zurück.
»Du bist, däucht mir, in meinem Hause gewesen,« sagte er, seine Stimme dem Ohre Nydia's nähernd, »Du kennst den Eid – Stillschweigen und Geheimhaltung, jetzt wie damals, oder wehe Dir!«
»Doch,« setzte er nachdenklich gegen sich selbst hinzu, weshalb sogar einer Blinden mehr vertrauen, als nöthig ist? – Julia kannst Du Dich mir allein anvertrauen? Glaube mir, der Magier ist nicht so furchtbar als er scheint.«
Während er sprach, zog er Julia sanft auf die Seite und fuhr dann fort: »Die Hexe sieht nicht gerne mehre Gäste zugleich; laß Nydia hier, bis Du zurückkehrst; helfen kann sie uns nichts und zum Schutz – reicht Deine Schönheit hin – Deine Schönheit und Dein Rang – ja,
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