Die letzten Tage von Pompeji
stämmigen Gestalt Platz, die sich mitten durchdrängte und der Christ Olinth stund unmittelbar dem Egypter gegenüber. Anfänglich ruhten jedoch seine Augen mit unaussprechlichem Schmerz und Schrecken auf der blutigen Brust und dem nach Oben gewandten Antlitz, das die Quaal eines gewaltsamen Todes noch immer zeigte.
»Ermordet,« sagte er, »hat Dich Dein Eifer dahin gebracht? Habe sie Dein edles Vorhaben entdeckt und sind sie ihrer eigenen Schande durch Deinen Tod zuvorgekommen?«
Plötzlich wandte er sein Haupt und seine Augen fielen auf die ernsten Züge des Egypters.
Während er diesen betrachtete, konnte man in seinem Gesichte und sogar in dem leichten Schauder, der ihn durchzuckte, den Widerwillen und Abscheu lesen, den der Christ gegen einen Mann fühlte, den er als so gefährlich und verbrecherisch kannte. Es war in der That der Blick des Vogels auf den Basilisken, so still und anhaltend war er. Aber des plötzlichen, unheimlichen Gefühles, das ihn beschlichen, sich bemeisternd, streckte Olinth seinen rechten Arm gegen Arbaces aus und sprach mit tiefer und lauter Stimme: »Mord ist begangen worden an dieser Leiche! Wo ist der Mörder? Tritt hervor, Egypter! Denn so wahr der Herr lebt, ich glaube, Du bist der Thäter!«
Für einen Augenblick konnte man einen ängstlichen und unruhigen Wechsel auf den dunklen Zügen des Arbaces bemerken, der übrigens den grimmigen Ausdruck der Entrüstung und Verachtung wich, sobald, erschreckt und aufmerksam gemacht durch dieses plötzliche und unumwundene Anklage, die Zuschauer sich immer näher um die zwei Hauptpersonen der Trauerscene drängten.
»Ich weiß,« entgegnete Arbaces stolz, »wer mein Ankläger ist, und ich kann mir auch wohl denken, weshalb er mich also beschuldigt. Männer und Bürger wisset, daß dieser Mensch der erbitterste der Nazarener oder Christen ist, welches von diesen beiden nun ihr eigentlicher Name sein mag! Was Wunder, daß er in seiner Bosheit sogar einen Egypter der Ermordung eines egyptischen Priesters zu beschuldigen wagt!«
»Ich kenne ihn! Ich kenne den Hund!« brüllten verschiedene Stimmen; »es ist Olinth, der Christ oder vielmehr der Atheist – er läugnet die Götter.«
»Seid ruhig, Brüder,« sprach Olinth mit Würde, »und höret mich. Dieser ermordete Isispriester hat vor seinem Tode den christlichen Glauben angenommen – mir entdeckte er die schwarzen Sünden, die Zaubereien jenes Egypters – das Gaukelspiel und die Täuschungen des Isistempels. Er stund auf dem Sprunge, sie an den Pranger der Öffentlichkeit zu stellen. Wer solle auch ihn , einen Fremden, der Niemanden etwas zu Leide that und keine Feinde hatte, wer sollte ihn ermorden, als einer von Denen, die sein Zeugnis fürchteten? Und wer hatte dieses Zeugnis am meisten zu fürchten? – Arbaces der Egypter!«
»Ihr hört ihn,« rief Arbaces, »Ihr hört ihn; er stößt Gotteslästerung aus! Fragt ihn, ob er an Isis glaube?«
»Ob ich an einen bösen Geist glaube?« entgegnete Olinth keck.
Die ganze Versammlung zitterte und stieß einen gewaltigen Seufzer aus.
Durch nichts eingeschüchtert – denn er war stets auf jede Gefahr gefaßt und setzte in der Aufregung des Augenblicks alle Klugheit hintan – fuhr der Christ fort: »Zurück, Götzendiener! Diese Leiche gehört nicht Euren eiteln und befleckenden Gebräuchen an – uns, den Nachfolgern Christi, steht es zu, einem Christen den letzten Liebesdienst zu erweisen. Ich fordere diesen Staub im Namen des großen Schöpfers, der den Geist wieder zu sich genommen hat!«
Mit so feierlichem und gebietendem Ton und Ansehen sprach der Christ diese Worte, daß selbst die Menge es nicht wagte, die Verwünschungen der Furcht und des Hasses, die ihr Herz erfüllten, laut auszusprechen. Und wie vielleicht seit Lucifer und der Erzengel um den Leichnam des gewaltigen Gesetzgebers stritten, gab es einen ergreifenderen Gegenstand für den Geist eines Malers, als diese Scene. Die dunklen Bäume – der herrliche Tempel – der volle Mond auf dem Leichnam des Ermordeten – die Fackeln im Hintergrunde wild hin und hertreibend – die verschiedenen Gesichter der bunten Zuhörerschaft – die leblose Gestalt des Atheners in der Ferne: im Vordergrund aber und als Hauptfiguren Arbaces und der Christ; Ersterer, zu seiner vollen Größe aufgerichtet, seine ganze Umgebung weit überragend, die Arme über einander gelegt, die Stirne gerunzelt, die Augen starr, die Lippen von Trotz und Verachtung leicht gekrümmt; Letzterer, auf
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