Die letzten Tage von Pompeji
einer abgelebten und gefurchten Stirne die Majestät einer gleichen Herrschermacht tragend – die Züge ernst, aber frei – die Miene kühn, aber offen – der ruhigen Würde der kühnen Gestalt ein unaussprechlicher Ernst eingeprägt, den ein heiliges Mitgefühl des Schauders, den er hervorgerufen, gewissermaßen milderte; die linke Hand auf die Leiche zeigend, die rechte aber zum Himmel erhoben.
Der Centurio drängte sich von neuem vor.
»Die erste Frage, die ich an Dich richten muß, ist: Hast Du, Olinth, oder wie Du heißen magst, außer Deinem unbestimmten Verdacht einen weiteren Beweis für Deine gegen Arbaces erhobene Beschuldigung?«
Olinth blieb still; der Egypter lachte höhnisch.
»Forderst Du den Leichnam des Isispriesters als den eines Mitgliedes der nazarenischen oder christlichen Sekte?«
»Allerdings.«
»Schwöre also bei jenem Tempel, jener Statue der Cybele, bei dem ältesten Sacellum in Pompeji, daß der verstorbene Euren Glauben angenommen.«
»Thörichter Mensch, ich verläugne Eure Götzen, ich verabscheue Eure Tempel! Wie kann ich also bei Cybele schwören?«
»Fort, fort mit dem Atheisten, fort. Die Erde wird uns verschlingen, wenn wir solche Gotteslästerungen in einem geheiligten Haine zulassen – fort mit ihm zum Tode! «
» Für die wilden Thiere! « fügte eine weibliche Stimme mitten aus der Menge hinzu; » jetzt haben wir ein Stück für den Löwen und eines für den Tiger! «
»Wenn Du, o Nazarener, an Cybele nicht glaubst, welche unserer Gottheiten erkennst Du an?« begann der Krieger von Neuem, ohne sich durch das Geschrei des Volkes irre machen zu lassen.
»Keine.«
»Hört ihn, hört ihn!« schrie die Menge.
»O Eitle und Blinde!« fuhr der Christ, seine Stimme erhöhend, fort; »könnt Ihr an Bilder von Holz und Stein glauben? Bildet Ihr Euch ein, sie haben Augen zu sehen, Ohren zu hören, Hände Euch zu helfen? Ist jenes stumme, durch menschliche Kunst geschnitzte Ding eine Gottheit? – Hat es Menschen geschaffen? – Ach, von Menschen wurde es geschaffen. Seht, überzeugt Euch selbst von seiner Nichtigkeit – von Eurer Thorheit!«
Während er also sprach, schritt er auf den Tempel zu, und ehe einer der Umstehenden seine Absicht errathen konnte, stürzte er in seinem Mitleid oder Eifer die hölzerne Statue von ihrem Fußgestell herab.
»Seht,« rief er, »Eure Göttin vermag sich nicht zu rächen. Ist dies ein Gegenstand zur Anbetung?«
Weiter durfte er nicht reden; eine so gerade und freche Tempelschändung, zumal an einem der heiligsten Andachtsorte begangen, erfüllte selbst die lauesten mit Wuth und Abscheu. Einmüthig stürzte die Menge auf ihn, packte ihn und würde ihn, ohne das Einschreiten des Centurio's, in Stücke zerrissen haben.
»Ruhe,« sprach der Soldat gebieterisch; »überliefern wir diesen unverschämten Gotteslästerer dem betreffenden Gericht; schon haben wir zu viele Zeit verloren. Bringen wir also die beiden Schuldigen vor die Obrigkeit; legt den Körper des Priesters auf die Sänfte und tragt ihn in seine eigene Wohnung.«
In diesem Augenblick trat ein Priester der Isis vor:
»Ich fordere diese Ueberreste nach dem Brauche unserer Priesterschaft.«
»Das Begehren des Flamen werde erfüllt,« entgegnete der Centurio; »wie geht's mit dem Angeklagten?«
»Er ist bewußtlos oder schläft.«
»Wäre sein Verbrechen geringer, ich könnte ihn bemitleiden – vorwärts –«
Als sich Arbaces umwandte, begegnete er dem Blicke des Isispriesters – es war Kalenus, und in diesem Blicke lag etwas so Ausdrucksvolles und Unheimliches, daß der Egypter vor sich hinsagte: »Sollte er die That mit angesehen haben?«
Ein Mädchen drängte sich aus der Menge hervor und schaute Olinth fest in's Gesicht: »Beim Jupiter, ein stämmiger Bursche! Jetzt haben wir also einen Mann für den Tiger – für jedes Thier einen – Juchheisa.«
»Juchheisa!« schrie das Volk, »einen Mann für den Löwen und einen für den Tiger. Welch ein Glück! Juchheisa!«
Siebentes Kapitel.
In welchem der Leser Glaukus Lage kennen lernt. Freundschaft auf die Probe gestellt – Feindschaft gemildert – Liebe bleibt dieselbe, weil die Liebende blind ist.
Die Nacht war bereits etwas vorgerückt, aber die muntern Versammlungsorte der Pompejaner waren noch immer zahlreich besetzt. Auf den Gesichtern der verschiedenen Müßiggänger konnte man einen ernstern Ausdruck als gewöhnlich bemerken. Sie besprachen sich in großen Gruppen, als suchten sie durch ihre Anzahl die
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